Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
Arden erstarrte und war bereit zu kämpfen, falls erforderlich, als der Graue Vandale den Stoff anerkennend befingerte.
»Unser Grau ist praktisch«, meinte er fast wehmütig, »manchmal vermisse ich jedoch ein wenig Luxus.«
Dann riss er den Vorhang zur Seite. Der Raum dahinter war leer, und Arden spürte, wie sein Herz wieder zu schlagen begann.
»Wir müssen aufbrechen«, meinte Starak. Wenn er enttäuscht war, so ließ er sich das nicht anmerken. Er dankte ihnen für ihre Gastfreundschaft, schlenderte hinaus und rief seine Männer. Kurz darauf waren sie verschwunden.
Die Dorfbewohner sahen ihnen schweigend nach, als sie nach Süden ritten. Niemand wagte, etwas zu sagen, bevor sie außer Hörweite waren. Dann wandte Arden sich an Eda.
»Wo ist sie?« wollte er wissen.
»Du hast auf ihr gesessen«, antwortete sie und musste lachen. Sie führte ihn in die Hütte zurück und klappte die Sitzfläche der Sitzbank hoch, auf der er und Mallory gesessen hatten. Gemma lag zusammengerollt darin. Sie erklärten ihr, die Grauen Vadalen seien fort, und sie stieg aus dem Kasten heraus und streckte erleichtert ihre eingeschlafenen Glieder.
»War das nicht riskant?« fragte Arden.
»Eigentlich nicht. Ich wusste, dass Ehren sie hierher bringen würde«, antwortete Eda selbstbewusst. »Wo hätte man ihren Argwohn besser zerstreuen können?«
»Hast du gehört, was er gesagt hat?« fragte Mallory Gemma. Sie schüttelte den Kopf. Die anderen erklärten ihr, was geschehen war.
»Wir waren also näher dran, als wir dachten«, fasste Arden zusammen. »Hast du immer noch vor, deinen verrückten Plan durchzuführen?«
»Natürlich«, sagte Gemma entschlossen. Arden war unfähig, seine Enttäuschung zu verbergen, und musste sich abwenden.
Die Dorfbewohner hatten einen Posten aufgestellt, der nach weiteren Besuchern Ausschau halten sollte, und man machte sich wieder an den Bau des Drachens. Die nächsten vier Tage verstrichen in hektischem Treiben. Der näher rückende Termin und das Versprechen der Grauen Vandalen, in ein paar Tagen zurückzukommen, erhöhte den Druck zusätzlich. Man schnitt Holz und sägte es zurecht, schnitzte Verbindungen, probierte sie aus. Man verwendete eine Mischung aus reifem Holz für die Stabilität und jungem für die Beweglichkeit des Gestells, änderte ständig den Entwurf für den Rahmen. Edas Mitgift wurde zurechtgeschnitten und vernäht, und nach der wohlüberlegten Anbringung weiterer Stoffbahnen nahm der Drachenflügel Gestalt an. Für das Ledergeschirr und die Riemen, die den Passagier sichern sollten, wurden Sattel und Zügel umgearbeitet, und man baute eine Seilkonstruktion, die es Gemma ermöglichen sollte, Klappen an beiden Seiten des Flügels zu öffnen und zu schließen, dann probierte man sie aus. Wenn alles stimmte, was sie von Cais Konstruktionen noch behalten hatte, müsste sie in der Lage sein, die Flugrichtung des Drachens und in gewissem Maße auch seine Flughöhe zu bestimmen.
Am Ende des vierten Tages waren die Bauteile fertig, jetzt brauchten sie nur noch zusammengesetzt zu werden. Gelang dies bis zum frühen Morgen des nächsten Tages, wollte Gemma sofort einen Flugversuch unternehmen. Sie wusste bereits, welche Richtung sie einschlagen musste, und hatte sich das Land, das sie vom oberen Rand der Klippe aus überqueren musste, genau angesehen. Der Ausblick von dort oben war furchteinflößend, und sie versuchte, nicht lange über den Augenblick nachzudenken, wenn sie sich in diese erschreckende Leere würde hinausstürzen müssen. Statt dessen konzentrierte sie sich darauf, die Vögel zu beobachten, die auf den Felsen lebten, und merkte sich, wo sie mit Unterstützung des Windes mühelos in der Luft schweben konnten. Sie beschloss, von einem flachen Felsbrocken abzuspringen, der über die Kante hinausragte. Der Wind an dieser Stelle wurde wie durch einen Trichter nach oben gedrückt und würde ihr den optimalen Auftrieb verschaffen.
Ich werde alle Hilfe brauchen, die ich kriegen kann! dachte sie und fragte sich zum erstenmal, ob sie tatsächlich in der Lage war, eine solch gefährliche Aufgabe durchzuführen. Ich wünschte, Cai könnte mir helfen.
44 . KAPITEL
Am selben Abend teilte sie Arden ihren Entschluss mit.
»Dachte ich mir«, sagte er. Sie waren alleine in der Gästehütte, da Mallory gespürt hatte, was in der Luft lag, und einen Grund gefunden hatte, sich zurückzuziehen. Seit ihrer Rückkehr nach Keld war Arden gereizt gewesen, teils, weil er immer noch zur
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