Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Die träumende Welt 01 - Der Traumstein

Titel: Die träumende Welt 01 - Der Traumstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Wylie
Vom Netzwerk:
genommen, der sich ihm unberechenbar schwankend näherte. Das Haar war dünn und spärlich, kurz und ungekämmt, und mitten auf dem Kopf befand sich eine seltsam kahle Beule. Arden fühlte sich gleichzeitig fasziniert und abgestoßen.
    Das Schwanken und Schlurfen des Besuchers setzte sich fort, bis er nur noch einen Schritt - einen normalen Schritt - vor Arden stand. Dort blieb er stehen und beugte sich langsam, qualvoll nach hinten, um Arden ins Gesicht sehen zu können.
    Diesmal konnte Arden beim besten Willen nicht verhindern, dass er die Luft scharf zwischen den Zähnen einsog. Keine Warnung, keine noch so große Selbstbeherrschung hätte ihn daran hindern können. Kris' Augen waren gelb und schillerten wie ein unperfekter Kristall - und die Pupillen waren waagerechte Schlitze. Wie eine Ziege. Arden fing an zu zittern.
    Kris erwiderte seinen Blick eine Zeitlang, dann hob er den rechten Arm. Die krallenartige Hand zitterte leicht - wie totes Laub im Herbstwind.
    Arden kniete instinktiv nieder, damit er leichter begutachtet werden konnte, und streckte seine Linke aus, um die dargebotene Hand zu ergreifen. Dabei durchfuhr ihn am ganzen Körper ein neues Bewusstsein, doch das beifällige Gemurmel hinter ihm bekam er nicht mit. Sein Zittern hörte auf.
    Gedanken fielen ihn ungebeten an. Üble Erinnerungen stiegen an die Oberfläche seines Bewusstseins, doch sie taten ihm nichts. Er beschützt mich. In seinem Innern regten sich kaum merklich geheimnisvolle Dinge. Vorstellungen, die sein Begriffsvermögen überstiegen, erblühten und starben wieder ab. Es ist ein Test. Die Angst kehrte zurück, um jedoch langsam, aber entschlossen gebannt zu werden.
    Arden wusste anschließend nicht, wie lange er im Staub gekniet hatte. Es war, als wären Stunden verstrichen, und doch hatte alles vielleicht nicht länger gedauert als das Zucken eines Lides. Als Kris seine Hand zurückzog, war das wie ein Schock, der Arden in die gewöhnliche Welt aus Geräuschen und Gerüchen und kühler Morgenluft zurückstieß. Ein undefinierbares Verlustgefühl durchfuhr sein ganzes Sein mit einer Schärfe, dass er einen ungeschickten Versuch unternahm, die Hand seines Gegenübers wieder zu ergreifen. Wie betäubt blieb er auf den Knien sitzen, während sein Blick langsam wieder sein Ziel fand.
    Kris, vor ihm, betrachtete seine eigene rechte Hand, leckte dann ein wenig Honig von den Fingern und lächelte schief. Arden lächelte zurück, doch irgendetwas in seinem Innern weinte. Wieso war dieser ganz besondere Mensch in einem fürchterlich entstellten Körper gefangen? Später, als er erfuhr, wie gesund das Tal tatsächlich war, erschien ihm Kris' Los noch ungerechter. Doch da wusste er bereits, dass Kris sich nicht für unglücklich hielt - und das aus vielen guten Gründen.
    Einige davon wurden ihm schon an diesem ersten Morgen deutlich. Allmählich drangen die Stimmen voller Herzlichkeit und Freude in sein Bewusstsein vor. Kris sagte nichts. Er war dazu auch gar nicht in der Lage, wie Arden fast augenblicklich bemerkte, doch er reagierte mit einem Lächeln und raschen, flatternden Bewegungen seiner Finger. Schon jetzt stand fest, dass Elway und seine Familie ihm mit Respekt und Liebe begegneten. Immer noch kniend verfolgte Arden, wie sie herbeikamen, um ihren alten Freund zu begrüßen, und dabei seine Hände auf eine Weise ergriffen, die mehr als nur eine förmliche Begrüßung erkennen ließ. Sie baten ihn ins Haus.
    Arden fuhr zusammen, als er die Hand auf seiner Schulter spürte.
    »Komm«, drängte Mallory ihn. »Du kannst wieder aufstehen.« Sie platzte fast vor Aufregung.
    Arden erhob sich langsam. Dann überraschte das Mädchen ihn zum zweitenmal, als sie die Arme um ihn schlang und ihn kurz, aber heftig an sich drückte. Als sie von ihm abließ, waren seine Augen voller Fragen.
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt?« flüsterte er heiser.
    »Gesagt? Was denn?« erwiderte Mallory strahlend und hüpfte ins Haus zu den anderen aus der Familie.
    Arden folgte ihr.
    Drinnen hatte man Kris bereits auf seinen Platz am Tisch gesetzt, wo er mit offensichtlichem Genuss Honigkuchen verspeiste. Die anderen ringsum waren damit beschäftigt, ihm lachend Geschichten zu erzählen, bis Arden sich fragte, wie Kris sich darauf einen Reim machen konnte. Doch er schien an all die Aufregung gewöhnt, reagierte in seiner vogelgleichen Zeichensprache und verbreitete eine wohlige Wärme im gesamten Raum. Arden stand im Eingang und sah zu, als er spürte, wie

Weitere Kostenlose Bücher