Die träumende Welt 01 - Der Traumstein
neben ihn setzte, und einen Augenblick lang sah er seinen Freund an, als würde er ihn nicht erkennen.
»Du verlässt uns, habe ich recht?«
Arden sah ihn an. Er war nicht überrascht.
»Wisst ihr immer alle alles?« Seine Stimme klang müde, resigniert.
»Ich hatte es schon eine Weile vermutet.«
Arden blickte wieder auf die Felder und die mächtigen Berge dahinter.
»Ich gehöre nicht hierher«, sagte er nach einer Weile. »Ich kenne die Dinge nicht so wie du. Ich kann niemals ein Teil des Tals werden, ich werde immer ein Außenseiter bleiben, der den anderen zusieht.« Arden hielt inne, so als wäge er ein paar bittere Wahrheiten ab. »Ich kann dem Tal nicht so helfen, wie Kris es vorhergesagt hat. Es würde mich zerreißen ...« Er sah Horan an, und der Schmerz und das Bedauern standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ich will nicht fort. Aber ich muss.«
»Wir werden dich vermissen«, sagte Horan und fügte sich in das Unvermeidliche. »Am meisten Mallory«, setzte er hinzu.
Arden machte ein überraschtes Gesicht, dann dämmerte es ihm. Irgendwie bestärkte ihn diese Erkenntnis noch in seinem Entschluss.
Sein Abschied wurde ohne Groll und kommentarlos hingenommen. Mallory war gekränkt, wusste es aber gut zu verbergen, und aufgrund einer unausgesprochenen Übereinkunft vermieden sie es, außer in Gesellschaft anderer zusammen zu sein. Sie hatten beide Angst, Mallory könnte versuchen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, sobald sie alleine waren - und vielleicht Erfolg damit haben. Manchmal dachte Arden, es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie getobt und gebettelt hätte - dann hätte er wenigstens versuchen können, es ihr zu erklären. Ihr trauriges Hinnehmen war schwieriger zu ertragen.
Größtenteils jedoch sorgte sich die Familie um praktische Dinge, nachdem sie einmal von seinem Entschluss in Kenntnis gesetzt worden war. Am besten drückte Fletcher ihre Haltung aus, als er beschloss, dass der Junge neue wasserdichte Kleidung brauchte, da der Herbstnebel bereits das Hochland einzuhüllen begann. Man stellte sie ihm rechtzeitig zur Verfügung, wie auch zahlreiche andere Geschenke. Schließlich musste Arden ihrer Großzügigkeit Einhalt gebieten - sein Rucksack wurde zu schwer.
Am Morgen seines Aufbruchs hatte Arden halb erwartet, Kris zu treffen, doch es war nichts von ihm zu sehen. Er wusste nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte.
Die gesamte Familie fand sich im Hof ein, um ihn zu verabschieden, doch ihr Abschied war kurz.
»Du bist hier immer willkommen«, erinnerte Teri ihn.
»Ja, vergiss das nicht, Junge«, meinte Elway. »Jedes Haus im Ort wird dich aufnehmen.«
»Mit ein bisschen mehr Übung könnten wir einen brauchbaren Farmer aus dir machen«, sagte Horan und lächelte.
Mallorys Gesicht war blass und fest entschlossen, und sie sagte nichts. Es gab so viel, was Arden sagen wollte, doch wo sollte er beginnen? Schließlich waren seine Worte die einfachsten und direktesten.
»Danke«, sagte er. »Auf Wiedersehen.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ging. Im Abschiedschor fehlte gerade jene Stimme, auf die er gehofft hatte, und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht umzudrehen.
Zuerst lief er nach Norden, das Tal hinab, und bis zum Schluss widerstrebte es ihm, sich zu entscheiden. Dann zwang er sich, nach Westen abzubiegen und quälte sich den mühsamen Weg die Berge hinauf.
Gemma schwieg eine Weile, nachdem Arden seine Geschichte beendet hatte. Sie spürte, dass er eine Menge ausgelassen hatte - besonders, was sein früheres Leben anbetraf -, doch jetzt begriff sie, warum es ihm das Tal so sehr angetan hatte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass seine Erlebnisse dort aus dem unglücklichen, jungen Wanderer den selbstbewussten Mann gemacht hatten, der für sich selbst sorgen konnte und der jetzt neben ihr ritt. Auch er schwieg, und seine Augen waren voller Erinnerungen.
Nach einer Weile sah er zu seiner Gefährtin hinüber.
»Das ist jetzt elf Jahre her.«
Gemma riskierte es.
»Warst du seitdem nochmal dort?« fragte sie.
»Mehrere Male.«
»Und Mallory?«
Arden musste grinsen. Diesen Geist braucht man ihm wohl nicht mehr auszutreiben, dachte Gemma.
»Sie ist mittlerweile verheiratet«, antwortete er, »mit einem Farmer im unteren Teil des Tales. Sie haben zwei Söhne, die mich jedesmal, wenn ich sie besuche, wie einen lange verloren geglaubten Onkel behandeln.«
»Ihre Füße sind also in Sicherheit?«
»Oh, ja. Sie ist viel zu klug, um mit mir zu
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