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Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Bitten zu verlegen, oder aber er fühlte, daß das bei Inge nichts nutzen würde.
    Es ist zwar im Leben unvermeidlich, daß hin und wieder entgegengesetzte Willen aufeinanderprallen, vielleicht ist das auch nützlich, und manchem macht es sogar Spaß. Was mich angeht, habe ich mich allerdings immer in sachlichruhiger Atmosphäre wohler gefühlt; deshalb machte ich jetzt einen Vermittlungsvorschlag.
    »Inge hat recht, es würde Sie umhauen«, sagte ich, »Sie kämen gar nicht bis hin, und Ihr Zustand würde sich wieder verschlechtern. Sie würden also Zeit verlieren statt gewinnen. Hier, nehmen Sie dieses Sprechfunkgerät, ich nehme ein anderes, gehe jetzt hin und sehe mir die Sache an. Ich schildere Ihnen alles haarklein, Sie können dann Fragen stellen und überhaupt über mich verfügen. Gut so?«
    Er drehte sich um und setzte sich ans Fenster, ohne ein Wort zu sagen. Inge nickte mir dankbar zu und bedeutete mir, daß ich gehen solle.
    Auch für einen völlig gesunden Menschen war der plötzliche Klimawechsel beim Verlassen des Zeltes eine ziemliche Strapaze. Deshalb warteten wir gewöhnlich ein paar Minuten im Schatten des Vorzeltes, um uns zu akklimatisieren. Diesmal sagte ich aber dem Zwilling »Gleich weiter!« und folgte ihm.
    Der von der Sprengung in die Atmosphäre geschleuderte Staub war längst davongetragen worden. Die Sonne brannte wie eh und je auf die Felsen, den Sand und uns herab. Gegenüber der Felsenwand, freilich nicht so hoch wie diese, erhob sich der Wall des aufgesprengten Sandbodens, und schräg unter uns lag das völlig ebene Plateau, das wir freigesprengt hatten. Nur eine dünne Restschicht von Sand schien den Felsboden zu bedecken.
    Der Abhang, der hinunterführte, war zwar ziemlich flach, und die Zwillinge hatten auch die Felswand entlang ein Seil gespannt, an dem man sich festhalten konnte; aber trotzdem war der Abstieg nicht leicht, und bei jedem Schritt rutschten große Sandmassen nach unten.
    »Hier müssen wir zuerst verfestigen!« sagte ich zu dem Zwilling, der mich begleitete; da ertönte aus dem Sprechfunkgerät Achmeds Stimme: »Was ist? Sind Sie schon unten?« Frisch und spannungsvoll klang die Stimme, kein bißchen Zorn und Ärger waren mehr darin, höchstens Ungeduld, aber die war ja wohl verständlich. Ein bißchen bewunderte ich Achmed dafür, wie schnell er sich wieder in Gewalt bekommen hatte.
    »Gleich, gleich«, antwortete ich, »der Abstieg ist ein bißchen schwierig, wir müssen überhaupt die Ränder bald verfestigen, sonst weht uns der Wind alles wieder zu.«
    Wir waren nun unten angelangt. Etwa in der Mitte des – ja, wie soll ich es bezeichnen, was wir da ausgesprengt hatten? Für einen Trichter war der Aushub zu groß; unter einer Schlucht stellt man sich etwas Langgestrecktes, unter einem Kessel etwas mehr oder weniger Rundes vor. Aber das freigesprengte Plateau, in zehn Meter Tiefe vor der Felswand gelegen, an den Seiten durch sanfte Sandhänge und an der Stirnseite durch einen hohen Wall begrenzt, war fast quadratisch. Etwa in der Mitte des Tiefplateaus stand der andere Zwilling neben einem Theodoliten und winkte.
    »Wir haben das ganz zufällig entdeckt«, sagte er, als sein Bruder und ich herangekommen waren. Auf etwa zwei Meter Länge war die dünne Sandschicht beiseite geschoben, und der nackte, graue Fels sah hervor. Tatsächlich, da war eine Rille, wie mit einem Messer gezogen, schnurgerade.
    »Sehen Sie etwas?« brachte Achmed sich in Erinnerung.
    »Ja«, sagte ich und hängte das Sprechfunkgerät um den Hals, während ich niederkniete und mit dem Finger über die Rille fuhr – ich wußte selbst nicht, warum. »Ja, ich bin etwa in der Mitte des Plateaus, hier ist eine kleine Fläche frei von Sand, und im Felsboden ist eine Rille, ganz dünn, völlig gerade; wenn ich mich nicht täusche, parallel zum Berghang.«
    »Was meinen Sie – könnte dieser Riß natürlich entstanden sein?« fragte Achmed. Seine Stimme klang besorgt, fast ängstlich, wie die Stimme eines Menschen, der eine schlimme Auskunft über die Gesundheit eines lieben Verwandten befürchtet.
    »Kann ich mir nicht vorstellen!« sagte ich. Und ich konnte es mir wirklich nicht vorstellen, obwohl ich als Sprengingenieur in dieser Beziehung schon manches Seltsame gesehen hatte.
    Das Funkgerät blieb stumm. Es schien, als halte Achmed den Atem an. Dann fragte er: »Haben Sie ein Taschenmesser bei sich?«
    Ich blickte die Zwillinge an. Der eine gab mir ein schmales, dünnes Messer, so ein

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