Die Traumfängerin - Roberts, N: Traumfängerin
J.“
„Aber genau deshalb bin ich hier“, stellte sie fest. Abrupt hielt sie auf ihrer Wanderung durch das Büro inne und setzte sich auf die Kante ihres Schreibtisches. Stirnrunzelnd sah sie Abe an.
Seufzend gab er auf, denn er wusste, dass sie ihm schon aus Prinzip widersprach, wenn sie in dieser gereizten Stimmungwar. Er respektierte und bewunderte sie, nur aus diesem Grund arbeitete er für die Fields Agency. Abe Ebbitt war in der Branche hoch geachtet, seit Jahrzehnten war er als Agent in Hollywood bekannt und hätte zweifellos auch mit einer eigenen Agentur großen Erfolg gehabt. Zudem hatte er auch kein Problem damit, dass A. J. die Chefin war, obwohl er dem Alter nach ihr Vater sein könnte. Wer wirklich gut in seinem Job ist, muss andere Profis nicht fürchten, das war sein Lieblingsspruch.
Erneut lehnte er sich zurück und wartete ab. Eine Minute verging, dann eine zweite.
„Sie hat sich in den Kopf gesetzt, mit ihm zu arbeiten“, murrte A. J. schließlich, doch Abe blieb weiterhin still. „Es ist nur, ich …“ Ich habe ein ungutes Gefühl, führte sie den Satz in Gedanken fort, sprach ihn allerdings nicht laut aus. Sie hasste solche Redensarten. „Ich hoffe nur, sie macht keinen Fehler. Wenn die Sendung nicht genau auf sie zugeschnitten ist, kann sie sich ganz schnell zum Narren machen. Das möchte ich vermeiden, Abe.“
„Du solltest Clarissa vertrauen. Sie schafft das schon.“ Endlich schob er seine Brille hoch. „Und du bist lange genug im Geschäft, um dich nicht von deinen Gefühlen leiten zu lassen“, setzte er dann hinzu.
„Ja, du hast recht.“ Schließlich war das der Grund, warum sie zu den Besten der Branche gehörte. Schon vor Jahren hatte sie gelernt, ihre Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Das war notwendig gewesen – mehr noch, überlebenswichtig. Ihr Vater war gestorben, als sie noch ein Kind war, und ihre Mutter hatte die selbstverständlichsten Dinge vergessen. Wenn man schon als kleines Mädchen an Kreditzahlungen denken musste, lernte man früh, sich im Geschäftsleben zu behaupten. Sie war Agentin geworden,weil sie es genoss, zu verhandeln und den besten Preis zu erzielen. Und sie war, das konnte sie ohne falsche Bescheidenheit sagen, ausgesprochen gut darin. Ihr Büro im Herzen von Los Angeles, von dem man einen weiten Blick über die Stadt hatte, zeugte von ihrem Erfolg.
„Ich werde mich heute Nachmittag mit Brady treffen“, beschloss sie.
Abe bemerkte ihren siegessicheren Gesichtsausdruck und schmunzelte. „Wie hoch willst du den Preis treiben?“
„Zehn Prozent mehr sollten noch möglich sein.“ Gedankenverloren nahm sie einen Stift von ihrem Schreibtisch und trommelte damit gegen ihren Handballen. „Aber vorher werde ich herausfinden, worum es in dieser Dokumentation genau geht – und auf welche Fallen Clarissa gefasst sein muss.“
„Man sagt, dieser Brady sei ein harter Brocken“, wandte er ein.
Sie schenkte ihm ein bittersüßes Lächeln, während ihre Augen vor Kampfgeist blitzten. „Das bin ich auch.“
„Der arme Kerl wird keine Chance haben gegen dich.“ Ächzend stemmte Abe sich aus seinem Sessel hoch. „Ich habe eine Besprechung. Halte mich auf dem Laufenden.“
„Natürlich.“ Als er die Tür hinter sich schloss, war sie bereits tief in Gedanken versunken.
David Brady. Er hatte einen guten Ruf in der Branche, und das machte ihre Entscheidung nicht einfacher. Normalerweise würde A. J. jedem Mandanten empfehlen, den Vertrag zu unterschreiben, denn die Gage war tatsächlich ausgesprochen großzügig. Doch Clarissa war ein ganz besonderer Fall. In A. J.s ersten mageren Jahren der Selbstständigkeit war Clarissa DeBasse ihre erste und einzige Klientin gewesen. Damals hatte sie noch keine gut gehen deAgentur mit fünfzehn Angestellten gehabt, sondern nur ein Mobiltelefon und einen warmen Platz in einem Café. Sie war achtzehn Jahre alt gewesen, und niemand hatte ihr zugetraut, als Agentin erfolgreich zu sein. Niemand außer Clarissa. Kein Wunder, dass A. J. das Gefühl hatte, sie besonders gut beraten zu müssen. Zweifellos war David Brady ein namhafter Produzent. Trotzdem würde er A. J. erst von seinen ehrlichen Absichten überzeugen müssen, bevor Clarissa den Vertrag unterschrieb.
Seufzend massierte sie ihren verspannten Nacken. Clarissa ging mit traumwandlerischer Sicherheit durchs Leben, sie kümmerte sich nicht um Verträge, Anfragen und Gagen, sondern verließ sich blind auf A. J. und deren Verhandlungsgeschick.
A. J.
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