Die Traumjoblüge - warum Leidenschaft die Karriere killt

seiner Zeit auf der Highschool pachtete Ryan vier Hektar Land von einem örtlichen Farmer und stellte im Sommer während der Ernte Aushilfskräfte ein. Er nahm einen Kredit auf und finanzierte damit den Kauf eines gebrauchten Traktors. Außerdem erweiterte er seine Geschäftstätigkeit und verkaufte seine Ware auch auf Wochenendmärkten und an eine Handvoll Großhändler. Nach der Highschool besuchte Ryan eine Landwirtschaftsschule und machte seinen Abschluss in Gartenbauwirtschaft. Während seiner Ausbildung fuhr er jedes Wochenende nach Hause und kümmerte sich um seine Felder.
    An Ryans Geschichte beeindruckt mich, dass er nicht eines schönen Tages die Landwirtschaft als seine neue Leidenschaft entdeckte und spontan aufs Land zog, um Biobauer zu werden. Stattdessen baute er zehn Jahre lang gewissenhaft Karrierekapital auf. Keine Frage, das klingt weniger spannend als die Vorstellung, den öden Job eines Tages hinzuwerfen und schon am nächsten Morgen vom Hahnenschrei in ländlicher Idylle geweckt zu werden, aber es entspricht genau meiner Theorie: Man muss wirklich gut sein, bevor man gute Arbeit leisten kann.
    Im Lauf unseres gemeinsamen Mittagessens hatte ich zwar die Gründungsgeschichte von Red Fire erfahren, aber ich wusste noch immer nicht genau, was den Reiz dieses Unternehmens ausmachte. Doch als wir uns zu einer Besichtigungsrunde aufmachten, reifte | 114 | in mir eine Erkenntnis. Ryan verlor immer mehr seiner anfänglichen Zurückhaltung, je mehr er über seine Pflanzen sprach. Er ist ein sehr schüchterner junger Mann. Immer wenn er vor vielen Menschen redet, neigt er dazu, seine Sätze wie ein Stakkato abzufeuern, als wolle er sich dafür entschuldigen, seinen Zuhörern ihre kostbare Zeit zu rauben. Doch wenn er auf Strategien zum Anbau zu sprechen kommt, auf unterschiedliche Lehmböden oder seine neue Methode, Karotten zu säen, dann ist seine Schüchternheit wie weggeblasen, und übrig bleibt nur ein von seiner Arbeit begeisterter Mann, der genau weiß, was er tut, und der das Privileg genießt, sein Wissen in die Tat umsetzen zu können.
    Die gleiche Begeisterung habe ich auch bei Sarah gespürt, als sie über das Abo-Programm und das Image von Red Fire in der Öffentlichkeit sprach. Als Sarah 2007 zu Ryan nach Granby zog, war sie bereits von Bioprodukten und lokalen landwirtschaftlichen Vertriebskonzepten und -projekten überzeugt. Zuvor hatte sie Umweltpolitik studiert, wo sie auch das vom College geförderte Bio-Abo kennen lernte. Davon inspiriert, rief sie nach dem Studium in Stafford Springs, Connecticut, ihr eigenes kleines Bioprojekt ins Leben. Erst auf der Red Fire Farm konnte sie dieses Konzept in größerem Stil umsetzen – und diese Herausforderung machte ihr großen Spaß.
    Und genau das macht das Leben auf der Red Fire Farm so reizvoll: Selbstbestimmung . Ryan und Sarah haben ihr (beträchtliches) Karrierekapital dafür ausgegeben, um selbst entscheiden zu können, was sie tun und wie sie das tun. Ihr Arbeitsleben ist kein Honigschlecken – wenn ich eines von meinem Besuch der Red Fire Farm gelernt habe, dann dass Landwirtschaft eine komplexe und anstrengende Angelegenheit ist. Doch der große Vorteil daran ist, dass man als Landwirt sein eigener Herr ist. Ryan und Sarah machen ihre Sache verdammt gut. Der Reiz, den Red Fire ausübt, ist weitaus mehr als nur der, tagein, tagaus im Freien zu arbeiten. Ganz im Gegenteil, Bauern empfinden das Wetter eher als ihren Feind. Es geht auch nicht darum, dem Dasein vor dem Computer zu entfliehen – Ryan sitzt mehr oder weniger den ganzen Winter vor dem Bildschirm und plant mit Excel-Tabellen | 115 | den Fruchtwechsel auf seinen Feldern, während Sarah sommers wie winters den laufenden Betrieb am PC organisiert. Es ist vielmehr die Autonomie, die die Anhänger dieses Lebensstils nach Granby lockt: Sarah und Ryan Voiland leben ihr eigenes, sinnvolles Leben nach ihrem Ermessen.
    Wie ich gleich ausführen werde, ist Selbstbestimmung nicht nur das, was Ryan und Sarah am meisten reizt, sondern es ist auch eines der wichtigsten Elemente, die man mit Karrierekapital erwerben kann – essentiell und wesentlich für die Suche nach dem Traumjob. Und genau aus diesem Grund bezeichne ich dieses Element als Traumjob-Elixier .
Die Macht der Selbstbestimmung
    Ryan und Sarah sind ihr eigener Herr, und das macht für sie den Reiz ihres Lebens auf der Red Fire Farm aus. Doch nicht jeder muss deshalb Bauer werden. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist