Die Treibjagd
nicht, daß bei mir gewisse Papiere versiegelt werden.«
Saccard war nicht der Mann dazu, um derartige Anspielungen ruhig hinzunehmen, insbesondere da er wußte, welch' peinliche Ordnung in den Bureaux dieses Menschen herrschte. Seine ganze kleine Person, die so voll List und Thatkraft war, bäumte sich gegen die Furcht, welche ihm dieser große, elegante Wucherer mit den gelben Handschuhen einzuflößen suchte. Das Schlimmste an der Sache war aber, daß er von einem Schauer erfaßt wurde, wenn er an die Möglichkeit eines Skandals dachte und schon sah er sich von seinem Bruder unbarmherzig nach Belgien verbannt, wo er irgend ein unsauberes Gewerbe betreiben mußte, um sein Leben zu fristen. Und eines Tages ward er so zornig, daß er sich so weit vergaß, Larsonneau zu duzen.
»Höre, mein Kleiner,« sagte er zu ihm; »Du bist ein ganz netter Junge, wirst aber wohl daran thun, mir das bewußte Papier zurückzugeben. Du wirst sehen, daß uns dieses Stück Papier noch entzweien wird.«
Der Andere schien im höchsten Grade erstaunt, drückte die Hände seines »theuren Meisters« und versicherte ihn seiner Ergebenheit, so daß Saccard seine momentane Aufwallung bereits bereute. Zu dieser Zeit war es, daß er ernstlich daran dachte, sich seiner Frau wieder zu nähern; er konnte ihrer gegen seinen Komplizen bedürfen und er sagte sich, daß sich die Angelegenheiten im Bette am besten erledigen ließen. Der Kuß auf den Nacken bildete denn sozusagen die Einleitung zu einer ganz neuen Taktik.
Im Uebrigen hatte er es nicht eilig und ging er nur sparsam mit seinen Mitteln vor. Der Winter diente ihm dazu, seinen Plan zu zeitigen, welchen zahllose andere Angelegenheiten, die überaus verwickelt waren, in die Länge zogen. Es war das ein schrecklicher Winter für ihn, reich an den größten Erschütterungen, ein an's Wunderbare grenzender Feldzug, während dessen er täglich dem Bankerott entgegentreten mußte. Weit entfernt, seinen Haushalt einzuschränken, veranstaltete er eine Festlichkeit nach der anderen. Doch wenn es ihm auch gelang, Allem die Spitze zu bieten, so mußte er doch Renée vernachlässigen, die er sich für seinen Hauptstreich vorbehielt, sobald die Charonner Operation reif geworden. Er begnügte sich damit, die Lösung vorzubereiten, indem er fortfuhr, ihr nur durch Larsonneau's Vermittelung Geld zu geben. Wenn er über etliche tausend Francs verfügen konnte und sie sich in Geldnöthen befand, gab er ihr das Geld, indem er sagte, daß die Leute Larsonneau's einen Wechsel über das Doppelte des betreffenden Betrages verlangten. Diese Komödie bereitete ihm ungeheuren Spaß; die Geschichte mit den Wechseln gefiel ihm, weil sie dem trockenen Geschäft einen romantischen Beigeschmack verliehen. Selbst zur Zeit, da er das Gold in ungezählten Massen einheimste, hatte er die Bezüge seiner Frau sehr unregelmäßig ausgefolgt, indem er ihr fürstliche Geschenke machte, sie mit Gold geradezu überhäufte und sie dann einer Kleinigkeit wegen wochenlang in Verlegenheit ließ. Gegenwärtig, da seine Lage thatsächlich eine bedrängte war, sprach er von den Lasten des Haushaltes, behandelte er sie wie einen Gläubiger, dem man nicht gestehen will, daß man zu Grunde gerichtet ist und den man durch allerlei Geschichten hinzuhalten sucht. Sie aber hörte ihm kaum zu, unterschrieb Alles, was er wollte und beklagte sich nur, daß sie nicht noch mehr unterschreiben könne.
Indessen besaß er schon von ihr Wechsel über zweihunderttausend Francs, die ihm kaum hundertzehntausend Francs gekostet hatten. Nachdem er dieselben an Larsonneau hatte indossiren lassen, brachte er die Papiere vorsichtig in Verkehr, um sich derselben später als entscheidender Waffen zu bedienen. Er hätte diesen entsetzlichen Winter nicht zu überstehen, seiner Frau nicht auf Wucherzinsen Darlehen zu beschaffen und die Kosten seines Haushaltes nicht zu bestreiten vermocht, wenn er seinen Baugrund auf dem Boulevard Malesherbes nicht verkauft hätte, welchen ihm die Herren Mignon und Charrier baar bezahlten, doch nicht ohne sich hierfür einen beträchtlichen Betrag in Abzug zu bringen.
Dieser Winter bildete für Renée eine einzige Kette der Freude und des Genusses; nur hatte sie fortwährend mit Geldverlegenheiten zu kämpfen. Maxime kam ihr sehr theuer zu stehen; er behandelte sie immer noch als Stiefmama und ließ sie überall bezahlen. Diese heimliche Geldnoth bildete für sie eine Wonne mehr. Sie sann über Mittel nach, zerbrach sich den
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