Die Treibjagd
Kopf, nur damit ihr »geliebtes Kind« nichts entbehre und wenn sie von ihrem Gatten einige tausend Francs zu erhalten vermochte, so vergeudete sie dieselben mit ihrem Liebhaber in kostspieligen Thorheiten, gleich zwei Schülern, die den ersten tollen Streich anstellen. Waren sie aller Mittel entblößt, so blieben sie hübsch zu Hause und erfreuten sich an diesem großen Gebäude, an seiner neuen, glänzenden Einrichtung. Der Vater war niemals zugegen. Häufiger denn je verweilten die Liebenden am Kaminfeuer; es war Renée endlich gelungen, die eisige Leere dieser vergoldeten Zimmerdecken mit warmem Leben zu erfüllen. Dieses Haus, welches den weltlichen Vergnügungen geweiht war, hatte sich in eine Kapelle verwandelt, allwo sie im Geheimen einer neuen Religion huldigte. Maxime brachte nicht allein den grellen Ton in ihr Leben, welcher mit ihren unsinnigen Toiletten im Einklang stand; sondern er war auch der Geliebte, wie ihn dieses Haus erforderte, welches Glasscheiben in der Größe von Schaufenstern hatte und vom Speicher bis zu den Kellern mit Schnitzereien und Bildwerken bedeckt war. Er belebte diese Gipsmassen, von den beiden pausbäckigen Amoren, die im Hofe aus ihrer Muschel einen dünnen Wasserstrahl entsendeten, bis zu den großen, nackten Frauen, die mit ihren Köpfen die Erker stützten und dabei mit Aepfeln und Getreideähren spielten. Er bildete die verkörperte Erklärung des überladenen Vestibüls, des zu engen Gartens, der strahlenden Räume, in denen man zu viele Fauteuils und keinen einzigen Kunstgegenstand sah. Die junge Frau, die sich hier tödtlich gelangweilt hatte, fand mit einem Male lebhaftes Vergnügen an diesen Dingen und bediente sich derselben wie einer Sache, deren Bestimmung ihr bis dahin unbekannt gewesen. Und sie genoß ihre Liebe nicht allein in ihren Gemächern, in dem kleinen Salon mit den goldenen Knospen und im Treibhause, sondern im ganzen Hause. Schließlich gefiel es ihr sogar auf dem Divan des Rauchzimmers; sie vergaß sich daselbst und sagte, daß in diesem Raume ein unbestimmter, doch sehr angenehmer Geruch von Tabak zu verspüren sei.
Statt eines Empfangstages hatte sie jetzt deren zwei in der Woche. Am Donnerstag erschien eine ganze Menge von Leuten, der Montag dagegen gehörte den vertrauten Freundinen. Männer wurden nicht zugelassen und nur Maxime durfte bei den im kleinen Salon stattfindenden köstlichen Unterhaltungen zugegen sein. Eines Abends hatte Renée die absonderliche Idee, ihn als Frau zu kleiden und als eine ihrer Basen vorzustellen. Adeline, Susanne, die Baronin von Meinhold und die anderen Freundinen, die zugegen waren, erhoben sich und grüßten, nicht wenig verwundert über dieses Gesicht, welches sie zu erkennen glaubten. Als sie hernach aufgeklärt wurden, lachten sie herzlich und wollten durchaus nicht zugeben, daß sich der junge Mann umkleide. Sie behielten ihn mit sammt seinen Röcken bei sich, neckten ihn und ergingen sich in allerlei zweideutigen Bemerkungen. Wenn er die Damen zur großen Thür hinausbegleitet hatte, machte er die Runde durch den Park und kehrte durch das Treibhaus zurück. Die guten Freundinen hatten niemals den leisesten Verdacht. Die Liebenden konnten gar nicht mehr vertrauter mit einander werden, als sie es bereits waren, da sie sich gegenseitig für gute Kameraden ausgaben. Und traf es sich mitunter, daß ein Bedienter dazu kam, wenn sie sich gerade umarmt hielten, so hatte das auch nichts zu bedeuten, da man daran gewöhnt war, daß Madame und der Sohn des Herrn vom Hause mit einander scherzten.
Diese unbeschränkte Freiheit und Straflosigkeit machten sie noch kühner. Des Nachts schoben sie wohl die Riegel vor, dagegen umarmten sie sich Tags über in allen Räumen des Hotels. Wenn es regnete, so erfanden sie tausenderlei kleine Belustigungen. Das Hauptvergnügen Renée's bestand aber stets darin, im Kamin ein mächtigs Feuer anzünden zu lassen und vor demselben einzuschlummern. Sie hatte sich diesen Winter herrliche Leibwäsche anfertigen lassen. Sie trug Hemden und Morgenröcke um fabelhafte Preise; der feine Battist schien sich wie ein leichter Hauch an ihre Glieder zu schmiegen. Und in der rothen Beleuchtung der Gluth schien sie ganz nackt zu sein; die Spitzen und ihre Schultern waren gleichförmig rosig, durch das dünne Gewebe hindurch versengte die Hitze fast ihren Leib. Zu ihren Füßen kauernd, küßte ihr Maxime die Kniee, ohne gar das feine Linnen zu spüren, das die Wärme und die Farbe dieses herrlichen
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