Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
hohen Palmen fielen Tropfen der Hitze auf sie herab. Die Säfte, welche sich an den Baumschäften emporsaugten, durchdrangen auch sie und verliehen ihnen immer heißeres Verlangen und die Fähigkeit gigantischen Genießens. Sie nahmen an der Brunst des Gewächshauses theil. Hier, inmitten des bleichen Lichtes wurden sie von Visionen heimgesucht, von Alpdrücken, in welchem sie lange den Liebesbezeugungen der Palmen und Farrenkräuter beiwohnten; die Blätter und Zweige nahmen in ihren Augen unbestimmte, zweideutige Formen an, welche ihre Begierden in lüsternen Vorstellungen festhielten. Aus den Baumgruppen tönte leises Gemurmel und Flüstern, ermattete Stimmen und Seufzer der höchsten Verzückung, unterdrückte Schmerzensrufe und entferntes Gelächter an ihr Ohr, – kurz all' das, was ihre eigenen Küsse verriethen und was das Echo wiederholte. Zuweilen glaubten sie, der Boden erbebe unter ihnen, als wäre die Erde selbst in einer Krise befriedigten Genießens in wollüstiges Schluchzen ausgebrochen.
    Wenn sie die Augen schlossen und die erstickende Hitze und das bleiche Licht sie nicht in eine Zerrüttung aller Sinne stürzten, so hätten die verschiedenartigen Gerüche genügt, um in ihnen einen Zustand höchster nervöser Reizbarkeit wachzurufen. Das Wasserbecken strömte einen tiefen, beizenden Geruch aus, welcher die tausenderlei Düfte der Blumen und Pflanzen in sich vereinte. Zuweilen gewann der Duft der Vanille gleich dem Girren einer Turteltaube die Oberhand; dem folgten die härteren Töne der Stanhopéa, deren getigerten Kelchen ein bitterer, durchdringender Geruch entströmte. Die in ihren durch dünnen Ketten festgehaltenen Körben ruhenden Orchideen athmeten ihren betäubenden Weihrauchgeruch aus. Der Alles beherrschende Duft aber, der Duft, in dem all' diese schwankenden, unausgesprochenen Gerüche untergingen, war der Duft des menschlichen Leibes, der Duft der Liebe, welchen Maxime erkannte, wenn er Renée's Nacken küßte, wenn er den Kopf in ihrem aufgelösten Haare barg. Und sie blieben wie berauscht von diesem der verliebten Frau anhaftenden Geruch, der durch das Treibhaus zog, wie durch ein Schlafgemach, wo die Erde in Kindesnöthen lag.
    Gewöhnlich lagerten sich die Liebenden unter dem Tanghin von Madagaskar, unter dem vergifteten Strauch, von welchem die junge Frau ein Blatt zerbissen hatte. Rings um sie her lachten die weißen Formen der Statuen, während sie die ungeheuren Verschlingungen der Zweige und Aeste betrachteten. Der Mond, der still seine Bahnen zog, veränderte die verschiedenen Gruppen und belebte durch sein wechselndes Licht das Drama. Und sie waren tausend Meilen von Paris entfernt, standen außerhalb des leichtfertigen Lebens des Bois und der Salons, befanden sich inmitten eines indischen Urwaldes, dessen Gottheit die schwarze Marmorsphinx war. Sie fühlten sich dem Verbrechen, verbotener Liebe, den Zärtlichkeitsbezeugungen wilder Thiere überantwortet. Dieser Pflanzenwucher, der sie umgab, dieses dumpfe Gewühl in dem Bassin, diese unverhohlenen Liebesergüsse der Vegetation, – all' dies vereinigte sich, um sie in eine Danteische Hölle der Leidenschaft zu stürzen. In diesem gläsernen Käfig, der von der klaren Kälte des Dezember umgeben, alle Gluth und Hitze des Sommers in sich verschloß, genossen sie die Blutschande gleich der verbrecherischen Frucht einer übermäßig erhitzten Erde.
    Und inmitten des schwarzen Felles hob sich der weiße Leib Renée's ab, wie sie mit gestrecktem Rückgrat wie eine große zusammengekauerte Katze sich auf die kleinen Fäuste stützte. Ihr ganzes Sein war von Wollust geschwellt und die hellen Linien der Schultern und Hüften hoben sich weich von dem dunklen Schatten ab, welchen das Bärenfell auf den gelben Sand der Allee warf. Sie beobachtete Maxime, diese unter ihr liegende Beute, die sich ihr rückhaltslos zu eigen gab. Und von Zeit zu Zeit neigte sie sich plötzlich über ihn und küßte ihn mit den halb geöffneten Lippen. Dabei öffnete sich ihr Mund mit der gierigen, unersättlichen Hast des chinesischen Hibiscus, dessen Blätterwerk eine Wand des Hôtels bedeckte. Sie war auch nur noch eine brennende Blüthe des Treibhauses. Ihre Küsse erblühten und erstarben gleich den rothen Blumen der großen Malve, die kaum einige Stunden leben und ohne Unterlaß neu erblühen, gleich den mörderischen unersättlichen Lippen einer riesigen Messalina.

 
V.
    Der Kuß, welchen Saccard auf den Nacken seiner Frau gedrückt, gab ihm zu

Weitere Kostenlose Bücher