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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Körpers hatte. Der Tag neigte sich bereits seinem Ende zu, die Dämmerung verbreitete sich immer mehr in dem grauen Zimmer, während Céleste hinter ihnen ruhigen Schrittes kam und ging. Sie war ganz natürlich die Verbündete der Liebenden geworden. Als dieselben eines Morgens zu lange im Bette geblieben waren, fand sie sie dort und behielt ihr ganzes Phlegma, ihre Kaltblütigkeit bei. Die Liebenden thaten sich vor ihr keinerlei Zwang an; sie kam und ging zu jeder Zeit, ohne daß sie bei dem Geräusch der gewechselten Küsse den Kopf gewendet hätte. Sie rechneten auf sie, um im Nothfall durch sie gewarnt zu werden, ohne darum ihr Stillschweigen zu erkaufen. Céleste war ein sehr sparsames, sehr ehrbares Mädchen, welchem man keinerlei Liebschaft nachsagen konnte.
    Dessenungeachtet führte Renée keine zurückgezogene Lebensweise. Sie verkehrte in Gesellschaften, fand hieran sogar ein größeres Vergnügen als früher und nahm Maxime gleich einem blonden Pagen in schwarzem Anzuge mit sich. Die Saison bildete für sie einen einzigen großen Triumph. Niemals noch hatte sie in ihren Toiletten und Haartrachten größere Phantasie entwickelt. Größtes Aufsehen erregte sie mit einem strauchgrünen Seidenkleide, auf welchem eine ganze Hirschjagd in kunstvoller Stickerei ausgeführt war mit allen entsprechenden Attributen, als Pulverhörnern, Jagdhörnern und Hirschfängern. Sie brachte die antike Haartracht in die Mode, welche Maxime in dem kürzlich eröffneten Campana-Museum für sie kopiren mußte. Sie schien förmlich verjüngt und stand in der Blüthe ihrer aufregenden Schönheit. Die Blutschande erfüllte sie mit einer Gluth, welche in der Tiefe ihrer Augen flackerte und ihr Lachen erhitzte. Ihre Lorgnette nahm sich keck und unternehmend aus, wenn sie sie auf die Spitze ihrer Nase setzte und die anderen Frauen, ihre guten Freundinen betrachtete, die irgend einem Laster fröhnten. Ihre an einen prahlerischen Jüngling gemahnende Miene, ihr spöttisches Lächeln schien zu besagen: »Auch ich habe mein Verbrechen«.
    Maxime dagegen fand die Gesellschaften tödtlich langweilig. Er behauptete, sich nur um des guten Tones willen zu langweilen; in Wahrheit aber amüsirte er sich nirgends. In den Tuilerien, bei den Empfängen der Minister verschwand er hinter den Röcken Renée's, handelte es sich aber um irgend einen tollen Streich, so ward er wieder zum Herrn und Lehrmeister. Renée wollte das bewußte Kabinet im Café Riche wiedersehen und der breite Divan entlockte ihr ein Lächeln. Allmälig führte er sie überall hin: zu den Mädchen, auf den Opernball, hinter die Koulissen der kleinen Theater, an alle zweideutigen Orte, wo sie mit dem Laster in Berührung kommen und dabei ihr Inkognito wahren konnten. Langten sie erschöpft und ermüdet zu Hause an, so schliefen sie einander umschlungen haltend ein, mit den Schlußworten irgend eines unzüchtigen Liedes auf den Lippen, welches sie an einem jener Orte vernommen, an welchen das unfläthige Paris so reich ist. Am nächsten Tage ahmte Maxime den Schauspielern nach und auf dem Piano des kleinen Salons suchte Renée die rauhe Stimme und die Hüftenbewegungen Blanche Müllers in der »Schönen Helena« nachzuahmen. Der Musikunterricht, welchen sie im Kloster genossen, diente ihr nur dazu, die neuesten Gassenhauer zu klimpern; vor ernsteren Musikstücken empfand sie eine Art heiliger Scheu. Gleich ihr verhöhnte Maxime die deutsche Musik und er glaubte »aus Ueberzeugung« den »Tannhäuser« auspfeifen zu müssen, nur um die gepfefferten Refrains seiner Stiefmama zu vertheidigen.
    Großes Vergnügen bereitete ihnen das Schlittschuhlaufen, welches gerade sehr in der Mode war, denn der Kaiser war einer der Ersten gewesen, die das Eis des Teiches im Boulogner Wäldchen erprobt hatten. Renée bestellte bei Worms ein kompletes Polenkostüm aus Sammt und Pelzwerk; auf ihren Wunsch hatte Maxime weiche Stiefel an den Füßen und eine Mütze aus Fuchsfell auf dem Kopfe. Als sie im Bois anlangten, herrschte eine grimmige Kälte, daß ihnen Nase und Lippen prickelten, als würde ihnen der Wind feinen Sand ins Gesicht wehen. Es bereitete ihnen ein Vergnügen, daß sie froren. Im Bois war alles grau, Alles mit einer feinen Schneehülle bedeckt; die von Reif bedeckten Baumzweige glichen feinen Spitzen. Und unter dem bleichen Himmel, auf dem festen, glänzenden Eise ragten blos die Tannen der Inseln gleich Theaterdekorationen, die gleichfalls mit feinen, durchsichtigen Spitzen besetzt

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