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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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wieder entflohen. In ihrer Eile war sie so unvorsichtig gewesen, ein laubfarbenes Seidenkleid mit langen Spitzenvolants anzulegen; um die Hüften hatte sie eine weiße Spitzenschärpe geschlungen. Die Toilette, welche ein kleines Hütchen mit einem großen weißen Schleier vervollständigte, nahm sich in dem düsteren Treppenhause so merkwürdig aus, daß sie sich selbst bewußt war, welch' absonderliche Gestalt sie daselbst abgab. Sie zitterte, als sie die kahle Flucht der öden Gemächer durchschritt, wo die undeutlich hervortretenden Figuren der Wandbekleidung über diese das Halbdunkel ihrer Einsamkeit unterbrechenden rauschenden Frauenröcke höchlich erstaunt schienen.
    Sie fand ihren Vater in einem nach dem Hofe gehenden Salon, wo er sich gewöhnlich aufhielt. Er las in einem großen Buche, welches auf einem an dem Arm seines Fauteuils angebrachten Pulte lag. Vor einem Fenster saß Tante Elisabeth und strickte mit langen, hölzernen Nadeln und außer dem einförmigen trockenen Geklapper dieser Nadeln störte nichts die Ruhe des Raumes.
    Befangen ließ sich Renée nieder; sie konnte keine Bewegung machen, ohne durch das Rauschen der eleganten Stoffe die ernste Stille des Gemaches zu stören. Gegen das tiefe Schwarz der Tapeten und alten Möbel nahmen sich ihre Spitzen erschreckend weiß aus. Die Hände auf sein Pult gestützt, blickte Herr Béraud du Châtel sie an, während Tante Elisabeth von der bevorstehenden Vermählung Christinens sprach, die den Sohn eines sehr reichen Notars heirathen sollte und in Begleitung einer alten Magd des Hauses ausgegangen war, um verschiedene Einkäufe zu besorgen. Die gute Tante plauderte ganz allein, mit ihrer ruhigen Stimme, ohne ihre Strickerei für einen Moment zu unterbrechen; sie sprach über hauswirthschaftliche Angelegenheiten und warf über ihre Brille hinweg lächelnde Blicke auf Renée.
    Die junge Frau aber gerieth immer mehr in Verlegenheit. Das ganze düstere Schweigen des Hôtels lastete auf ihren Schultern und sie hätte Vieles darum gegeben, wenn die Spitzen ihres Kleides schwarz gewesen waren. Der beharrliche Blick ihres Vaters machte sie so befangen, daß sie Worms für lächerlich erklärte, weil er so mächtige Volants erfunden.
    »Wie schön Du bist, mein Kind!« sagte Tante Elisabeth, die die weißen Spitzen ihrer Nichte noch gar nicht wahrgenommen, plötzlich. Sie hielt ihre Nadeln an und rückte ihre Brille zurecht, während Herr Béraud du Châtel leise lächelte.
    »Die Toilette scheint etwas zu weiß,« sagte er. »Für eine Frau mag dies auf der Straße recht hinderlich sein.«
    »Man geht ja nicht zu Fuße aus, Vater!« rief Renée aus, bereute aber sofort, daß sie dies gesagt.
    Der Greis schien etwas erwidern zu wollen, dann aber stand er auf, richtete sich zu seiner vollen Höhe empor und begann langsam auf- und niederzuschreiten, ohne seine Tochter mehr anzublicken. Diese war ganz bleich vor Erregung. So oft sie sich aufraffte und einen Uebergang suchte, um ihr Anliegen vorzubringen, entsank ihr der Muth.
    »Man bekommt Sie gar nicht mehr zu sehen, Vater,« murmelte sie.
    »Oh!« erwiderte die Tante, ohne ihrem Bruder Zeit zu lassen, die Lippen zu öffnen, »Dein Vater verläßt das Haus nur sehr selten und auch dann geht er blos in den Thiergarten. Und ihn dazu zu bewegen, muß ich ihn erst tüchtig auszanken. Er behauptet, daß er sich in Paris verirrt, daß die Stadt nicht mehr für ihn tauge.«
    »Mein Gatte wäre sehr erfreut, wenn Sie an unseren Donnerstagen zuweilen bei uns vorsprechen wollten,« sagte Renée.
    Herr Béraud du Châtel machte einige Schritte und sprach dann ruhigen Tones:
    »Danke Deinem Gatten in meinem Namen. Er ist wie es scheint, ein sehr rühriger Mann und in Deinem Interesse wünsche ich, er möge seine Angelegenheiten rechtschaffen zu Ende führen. Wir haben aber ganz verschiedene Anschauungen und ich fühle mich sehr unbehaglich in Eurem schönen Hause im Monceau-Park.«
    Tante Elisabeth schien diese Antwort zu betrüben. »Wie schlimm doch die Männer sind, wo es sich um ihre Politik handelt!« sagte sie. »Willst Du die Wahrheit wissen? Dein Vater ist nicht gut auf Euch zu sprechen, weil Ihr die Tuilerien besucht.«
    Der Greis aber zuckte mit den Schultern, wie um anzudeuten, daß seine Unzufriedenheit auf viel ernsteren Ursachen beruhe und darauf begann er wieder langsam und nachdenklich im Zimmer auf- und abzuschreiten. Renée schwieg einen Augenblick und schon öffnete sie den Mund, um ihre Bitte wegen der

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