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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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die sicherlich nicht zu dem mageren Chignon der Frau Sidonie gehörten. Auf der Stelle, wo sich das Bett früher befunden, war die Tapete ganz abgewetzt, beschmutzt und durch die Matratzen farblos geworden. Die Hausfrau hatte diese Stelle allerdings durch den Rücken zweier Fauteuils verdecken wollen; doch waren dieselben ein wenig zu niedrig und Renée's Blick blieb an diesem schwärzlichen Streifen haften. »Sie haben mir etwas zu sagen?« fragte sie endlich.
    »Ach ja; das ist aber eine ganze Geschichte,« erwiderte Frau Sidonie und faltete die Hände mit der Miene einer Feinschmeckerin, die sich zu erzählen anschickt, was sie zum Diner gespeist. »Denken Sie nur, Herr von Saffré ist zum Sterben in die schöne Frau Saccard verliebt ... Ja, in Sie, mein Herz ...«
    Sie machte nicht einmal eine kokette Bewegung, als sie entgegnete:
    »Sie sagten doch, er sei in Frau Michelin verliebt!«
    »Ach, das ist zu Ende, ganz aus ... Ich kann es Ihnen beweisen, wenn Sie wollen ... Sie wissen also nicht, daß die kleine Michelin den Gefallen des Barons Gouraud erregt hat? Die Sache ist mir ganz unbegreiflich und Jedermann, der den Baron kennt, ist auf's Höchste erstaunt darob ... Und wissen Sie, daß sie ihrem Gatten sehr bald das rothe Bändchen der Ehrenlegion errungen haben wird? ... Ach, die kleine Frau ist ein Schelm; sie findet ihren Weg allein und braucht Niemanden, der ihr Schifflein führen hilft.«
    Die letzten Worte sprach sie mit einigem Bedauern, welchem sich eine gewisse Bewunderung zugesellte.
    »Kommen wir aber auf Herrn von Saffré zurück ... Er will Sie auf einem Ball getroffen haben, den eine Schauspielerin gab; er behauptet, Sie wären in schwarzem Domino gewesen und er hätte Sie – was er jetzt bedauert – ein wenig zudringlich aufgefordert, mit ihm zu soupiren ... Ist das wahr?«
    Die junge Frau war auf's Höchste überrascht.
    »Vollkommen!« murmelte sie. »Doch wer konnte ihm gesagt haben ...«
    »Warten Sie ... Er behauptet, Sie erst später erkannt zu haben, als Sie nicht mehr im Salon waren und er erinnerte sich, daß Sie am Arme Maxime's hinausgegangen seien ... Seit jener Zeit ist er rasend verliebt in Sie und er hat sich die Sache ungeheuer zu Herzen genommen. ... Nun hat er mich aufgesucht, um mich zu bitten, Ihnen seine Entschuldigungen vorzubringen ...«
    »Sagen Sie ihm meinethalben, daß ich ihm verzeihe,« fiel ihr Renée nachlässig ins Wort und mit einem Male wieder ängstlich und zaghaft werdend, fügte sie hinzu:
    »Ach, meine gute Sidonie, ich befinde mich in einer so peinlichen Lage! Bis morgen Früh muß ich unbedingt fünfzigtausend Francs haben und ich bin nur gekommen, um hierüber mit Ihnen zu sprechen. Sie kennen Leute, sagten Sie mir, die Geld leihen?«
    Aergerlich über die wenig rücksichtsvolle Weise, in welcher ihre Schwägerin sie in ihrer Erzählung unterbrochen, zögerte die Maklerin eine Weile mit ihrer Antwort.
    »Gewiß kenne ich welche; doch rathe ich Ihnen, es vorerst bei Ihren Freunden zu versuchen ... Ich an Ihrer Stelle wüßte, was ich zu thun hätte ... Ich würde mich ganz einfach an Herrn von Saffré wenden.«
    Renée lächelte gezwungen, als sie zur Antwort gab:
    »Dies wäre nicht sehr schicklich, da er, wie Sie behaupten, in mich so sehr verliebt ist.«
    Die Alte blickte sie fest an, dann verzog sich ihr farbloses Gesicht langsam zu einem mitleidsvollen Lächeln.
    »Armes Kind,« murmelte sie. »Sie haben geweint; leugnen Sie nicht, Ihre Augen verrathen es. Seien Sie also stark, nehmen Sie das Leben so wie es ist ... Ueberlassen Sie es mir, ich werde die Sache in Ordnung bringen.«
    Renée erhob sich, wobei sie ihre Finger so krampfhaft in einander schlang, daß ihre Handschuhe schier platzten. Und sie blieb aufrecht stehen, während sich in ihrem Inneren ein schwerer Kampf vollzog. Schon öffnete sie die Lippen, vielleicht um einzuwilligen, als in dem anstoßenden Gemach der Ton einer Klingel vernehmbar wurde. Frau Sidonie schritt eilig hinaus, wobei sie eine Thür halb offen stehen ließ, durch die eine Doppelreihe von Klavieren sichtbar wurde. Darauf vernahm die junge Frau Männerschritte und das gedämpfte Geräusch einer mit leiser Stimme geführten Unterhaltung. Mechanisch trat sie näher, um den gelblichen Streifen anzusehen, welchen die Matratzen an der Mauer zurückgelassen. Dieser Streifen beunruhigte sie, war ihr lästig. Sie vergaß Alles: Maxime, die fünfzigtausend Francs, Herrn von Saffré, und trat sinnend vor das Bett hin. Dasselbe

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