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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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stand hier unbedingt besser als an der Stelle, wo es sich früher befunden. Es gab in der That Frauen, die keinen Geschmack hatten; wenn man im Bette lag, mußte man sich doch dem Licht gegenüber befinden. Und unbestimmt tauchte in ihrer Erinnerung das Bild des Unbekannten vom Quai Saint-Paul auf, ihr Roman, der aus zwei Begegnungen bestanden, diese Zufalls-Liebe, welche sie dort, an jener anderen Stelle genossen. Nichts als dieser abgefärbte Fleck an der Mauer war von derselben zurückgeblieben. Und nun ward sie von demselben Unbehagen erfaßt, welches sie schon beim Eintritt in dieses Zimmer empfunden und das Gemurmel der Stimmen im anstoßenden Gemach regte sie ungemein auf.
    Als Frau Sidonie zurückkam, wobei sie die Thür vorsichtig öffnete und hinter sich schloß, machte sie eine hastige Bewegung mit dem Zeigefinger, wie um ihr zu bedeuten, sie möge leise sprechen. Sodann neigte sie sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Das trifft sich ja herrlich; Herr von Saffré ist hier.«
    »Sie haben ihm doch nicht gesagt, daß ich hier bin?« fragte die junge Frau unruhig.
    Die Vermittlerin schien ganz überrascht und erwiderte naiven Tones:
    »Oh doch ... Er wartet nur hereingerufen zu werden. Von den fünfzigtausend Francs habe ich ihm natürlich nichts gesagt.«
    Tief erbleichend richtete sich die junge Frau wie von einer Feder geschnellt in die Höhe. Ein unendlicher Stolz regte sich in ihr und der Schall der Männerschritte im anstoßenden Gemach erbitterte sie.
    »Ich gehe,« sprach sie kurzen Tones. »Oeffnen Sie mir die Thür.«
    Frau Sidonie versuchte zu lächeln.
    »Seien Sie nicht kindisch ... Was soll ich denn jetzt mit dem jungen Mann anfangen, nachdem ich ihm gesagt, daß Sie hier seien ... Sie kompromittiren mich wahrhaftig.«
    Die junge Frau aber war die kleine Treppe bereits hinabgeschritten und wiederholte, vor der verschlossenen Thür des Ladens angelangt:
    »Oeffnen Sie! öffnen Sie mir sofort!«
    Wenn die Maklerin den Messingknopf abzog, pflegte sie ihn gewöhnlich in die Tasche zu stecken. Noch wollte sie einen Versuch machen und parlamentiren; schließlich aber gerieth sie selbst in Zorn und indem ihre grauen Augen all' die Bosheit und Habsucht ihrer Natur verriethen, rief sie aus:
    »Was soll ich dem Manne aber eigentlich sagen?«
    »Daß ich nicht käuflich bin!« erwiderte Renée, die mit einem Fuß bereits auf der Straße stand.
    Und während Frau Sidonie die Thür heftig ins Schloß warf, glaubte sie dieselbe murmeln zu hören: »Gehe nur, dumme Gans; Du sollst mir Das noch entgelten.«
    »Meiner Treu!« sprach sie halblaut vor sich hin, als sie bereits im Wagen saß; »da ziehe ich ja noch meinen Gatten vor.«
    Sie kehrte geradewegs nach Hause zurück. Am Abend sagte sie Maxime, er möge nicht kommen, denn sie sei leidend und bedürfe der Ruhe. Und als sie ihm am nächsten Tage die fünfzehntausend Francs für den Juwelier Sylvia's übergab, hatte sie für seine überraschten Fragen blos ein verlegenes Lächeln. Ihr Gatte, sagte sie, habe ein vortheilhaftes Geschäft abgeschlossen. Doch von diesem Tage an war sie launenhaft, änderte sie häufig die Stunden der Rendezvous, welche sie mit dem jungen Manne vereinbarte und häufig erwartete sie ihn sogar im Treibhause, um ihn fortzuschicken. Er beachtete diese wechselnden Stimmungen kaum, denn er gefiel sich darin, ein fügsames Werkzeug in den Händen der Frauen zu sein. Unangenehmer war es ihm, daß ihre Zusammenkünfte, die durch die Liebe herbeigeführt wurden, mitunter eine moralische Wendung nahmen. Renée war ganz traurig geworden und zuweilen hatte sie Thränen in den Augen. Sie sang nicht mehr die übermüthigen Weisen aus der »Schönen Helena«, spielte nur die Gesänge, die sie im Pensionat gelernt und fragte ihren Geliebten, ob er daran glaube, daß das Böse früher oder später bestraft werde.
    »Sie wird alt, daran ist nicht zu zweifeln,« dachte der junge Mann im Stillen. »In ein oder höchstens zwei Jahren wird sie Niemandem mehr ein Vergnügen bereiten können.«
    Die Wahrheit aber bestand darin, daß sie fürchterlich litt. Nun hätte sie Maxime lieber mit Herrn von Saffré betrogen. Bei Frau Sidonie hatte sie ihrer Entrüstung Ausdruck verliehen, hatte sie aus Abscheu über den schmählichen Handel einem instinktiven Stolz Gehör geschenkt. An den folgenden Tagen aber, da sie die Qualen des Ehebruches erduldete, ward sie von düsterem Schrecken erfaßt und sie selbst kam sich so verächtlich vor, daß sie sich dem

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