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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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in Schuldhaft setzen zu lassen. Die seit langer Zeit protestirten Wechsel, die er in Händen hatte, waren derart mit Spesen überladen, daß die Schuld um drei- oder viertausend Francs zugenommen hatte. Saccard erklärte rundheraus, daß er nichts thun könne. Wenn sein Sohn in den Schuldthurm käme, so würde dies allgemeines Aufsehen erregen und wenn er ihn aus demselben befreien würde, so müßte diese väterliche Freigebigkeit ihm nur zum Ruhme gereichen. Renée war in Verzweiflung; sie sah ihr geliebtes Kind bereits im Gefängniß, in einem wirklichen Kerker, wo er auf feuchtem Stroh liegen mußte. Eines Abends machte sie ihm in allem Ernste den Vorschlag, er möge sie nie mehr verlassen und nur bei ihr leben, ohne daß Jemand wisse, wohin er gerathen. Dann wieder schwor sie, daß sie das Geld auftreiben werde. Niemals erwähnte sie den Ursprung dieser Schuld, sprach niemals von dieser Sylvia, die ihre Liebesgeheimnisse den Spiegeln in den Restaurantskabineten anvertraute. Sie mußte fünfzigtausend Francs auftreiben: fünfzehntausend für Maxime, dreißigtausend für Worms und fünftausend Francs Taschengeld. Hiedurch würden ihnen wieder volle vierzehn glückliche Tage gesichert werden. Und sie bot Alles auf, um das Geld herbeizuschaffen.
    Ihr erster Gedanke war, dasselbe von ihrem Gatten zu verlangen und nur widerstrebend vermochte sie sich hierzu zu verstehen. Bei den letzten Anlässen, die ihn in ihr Zimmer geführt hatten, um ihr Geld zu bringen, hatte er sie neuerdings auf den Nacken geküßt, ihre Hände ergriffen und von seiner Liebe gesprochen. Die Frauen haben eine feine Witterung und so war sie denn auf eine Forderung, auf einen stillschweigend abgeschlossenen Handel vorbereitet. Thatsächlich zeigte er sich sehr erschrocken, als sie die fünfzigtausend Francs von ihm verlangte; er sagte, daß Larsonneau einen solchen Betrag niemals vorstrecken werde und er selbst denselben auch nicht auftreiben könne. Dann aber schlug er einen anderen Ton an, als wäre er besiegt und von einer plötzlichen Rührung erfaßt worden.
    »Man vermag Ihnen nichts zu verweigern,« murmelte er. »Ich will Alles aufbieten, das Unmögliche durchsetzen ... Ich will Sie, geliebte Freundin, zufriedenstellen.«
    Und sich zu ihrem Ohre neigend, küßte er ihr Haar und flüsterte mit zitternder Stimme:
    »Ich bringe Dir das Geld morgen Abend in Dein Zimmer ... und ohne Wechsel ...«
    Sie aber erwiderte lebhaft, daß sie es nicht eilig habe, daß sie ihm diesbezüglich keine Ungelegenheiten bereiten wolle. Und er, der die gefährlichen Worte »ohne Wechsel« mit scheinbarer Inbrunst gesprochen und schier wieder bereute, daß ihm dieselben entschlüpft waren, schien die unangenehme Abweisung gar nicht zu empfinden. Er erhob sich und sagte:
    »Nun, wie Sie wollen ... Ich werde Ihnen das Geld beschaffen, sobald es erforderlich sein wird. Larsonneau, wohlverstanden, wird gar nichts damit zu thun haben. Ich will Ihnen damit ein Geschenk machen.«
    Dabei lächelte er gutmüthig, sie aber blieb die Beute einer unaussprechlichen Angst. Sie fühlte instinktiv, daß sie das bischen Gleichgewicht, welches ihr geblieben, einbüßen würde, wenn sie sich ihrem Gatten hingeben müßte. Ihr letzter Stolz bestand darin, daß sie den Vater geheirathet habe, doch nur die Gattin des Sohnes sei. Häufig, wenn Maxime kalt schien, versuchte sie ihm diese Situation durch sehr deutliche Anspielungen zu erklären; der junge Mann aber, den sie nach einer derartigen Auseinandersetzung zu ihren Füßen sinken zu sehen hoffte, blieb völlig gleichmüthig, da er sicherlich meinte, sie wolle ihn nur bezüglich der Möglichkeit eines Zusammentreffens mit seinem Vater in dem grauen Zimmer beruhigen.
    Als Saccard von ihr gegangen war, kleidete sie sich eilig an und ließ anspannen. Während ihr Wagen sie nach der Insel Saint-Louis brachte, legte sie sich die Art und Weise zurecht, wie sie die fünfzigtausend Francs von ihrem Vater verlangen werde. Sie klammerte sich an diesen Gedanken, ohne denselben näher zu prüfen, denn im Grunde genommen fühlte sie, daß sie sehr feige sei und vor einem derartigen Schritt eine unüberwindliche Furcht habe. Als sie anlangte, ward sie bei dem Anblick des eiskalten Hofes des Hôtels Béraud mit seinen kahlen, düsteren Mauern von einem frostigen Gefühl erfaßt und während sie die breite steinerne Treppe emporstieg, auf welcher die hohen Absätze ihrer kleinen Schuhe ein schreckliches Echo erweckten, wäre sie am liebsten

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