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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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lebenden Bildern dargestellt. Hinter ihr blieb ein Schwarm schwarzer Fräcke zurück, die entzückt von der Durchsichtigkeit ihrer weißen Mousselineblouse waren. Als sie bei der Gruppe der Frauen angelangt war, welche Maxime umgaben, wurden bewundernde Bemerkungen laut und die Marquise, die sie eingehend vom Scheitel bis zu den Füßen musterte, bemerkte halblaut:
    »Sie ist herrlich gebaut.«
    Frau Michelin, deren Kostüm als indische Tänzerin sich neben dieser hauchleichten Toilette überaus schwerfällig ausnahm, preßte die Lippen zusammen, während ihr Frau Sidonie, die in ihrem Kostüme als Magierin gänzlich zusammengeschrumpft aussah, ins Ohr flüsterte:
    »Weiter läßt sich die Unanständigkeit denn doch nicht treiben, nicht wahr, mein Schatz?«
    »Gewiß nicht!« erwiderte die hübsche Brünette. »Mein Gatte wäre im höchsten Grade aufgebracht, wenn ich mich dermaßen entkleiden würde.«
    »Und mit vollem Recht!« schloß die Spitzenhändlerin.
    Die anwesenden ernsten Männer theilten nicht diese Ansicht, sondern waren ganz begeistert. Herr Michelin, den seine Frau zu so ungelegener Zeit als Beispiel anführte, gerieth vor Begeisterung ganz außer sich, nur um dem Baron Gouraud und Herrn Toutin-Laroche, die der Anblick Renée's entzückte, gefällig zu sein. Man sagte Saccard allerlei Schmeichelhaftes über die herrlichen Formen seiner Frau und er verbeugte sich ganz gerührt. Der Abend brachte ihm die Erfüllung so vieler Wünsche und abgesehen von einer gewissen Besorgniß, die zuweilen in seinen Augen aufstieg, wenn er einen raschen Blick zu seiner Schwester hinüberwarf, hätte man ihn für ganz glücklich halten können.
    »Nicht wahr, so viel hat sie uns noch nicht sehen lassen?« flüsterte Luise Maxime scherzend ins Ohr, indem sie mit den Augen auf Renée deutete.
    Gleich darauf fügte sie aber mit einem unerklärlichen Lächeln hinzu:
    »Mich wenigstens nicht.«
    Der junge Mann blickte sie unruhig an; sie aber lächelte unbefangen mit der Schelmerei eines Schulknaben, der sich über einen etwas gewagten Scherz freut.
    Der Ball nahm seinen Anfang. Die Estrade, auf welcher die lebenden Bilder dargestellt worden, hielt jetzt ein kleines Orchester besetzt, in welchem die Blechinstrumente vorherrschten und die Trompeten und Klapphörner ließen in dem idealen Walde, inmitten der blauen Bäume ihre hellen Töne erschallen. Zuerst wurde eine Quadrille nach der Melodie gespielt: »Ach, Bastian hat Stiefel an!«, die zu jener Zeit in den niedrigen Tanzlokalen sich großer Beliebtheit erfreute. Und die Damen tanzten dazu. Polka's, Walzer und Mazurka's wechselten mit den Quadrillen ab. Die sich wiegenden Paare kamen und gingen, den langen Raum ganz ausfüllend, bei den anfeuernden Klängen der Blechinstrumente emporschnellend, um bei den wiegenden Tönen der Violinen wieder sanft dahinzuschweben. Die Kostüme aus allen Zeiten und allen Ländern wirbelten in toller Buntscheckigkeit durcheinander und nachdem die Tanzweise die vielen Farben in einem kadenzirten Wirrsal durcheinander gewürfelt hatte, kamen bei gewissen Stellen des Musikstückes dieselbe Robe aus rothem Satin, dasselbe Leibchen aus blauem Sammt an der Seite desselben Frackes wieder zum Vorschein. Dann führte ein neuer Bogenstrich, ein Stoß in die Blechinstrumente die Paare in langer Reihe durch den Salon, mit den wiegenden Bewegungen eines Nachens, der unter der Gewalt eines Windes die Ankerkette gesprengt hat und nun ohne Ziel dahin treibt. Und so ging das fort, stundenlang, ohne Unterbrechung. Zuweilen näherte sich zwischen zwei Tänzen eine Dame dem Fenster, um etwas frische Luft einzuathmen, oder ein Paar zog sich in den kleinen, goldenen Salon zurück, um ein wenig auszuruhen, oder es begab sich in den Wintergarten hinab und schritt in den kühleren Alleen auf und nieder. Unter den Lauben von Schlingpflanzen, in der Tiefe des angenehmen Schattens, wohin nur einzelne abgerissene Töne des Orchesters drangen, vernahm man mitunter schmachtendes, perlendes Lachen und das Rauschen seidener Frauenkleider, von denen man blos den unteren Saum sah.
    Als man die Thür des Speisesaales öffnete, welcher zum Buffet umgewandelt war, mit einer langen Tafel in der Mitte, die mit kalten Fleischgerichten beladen war, und hohen Kredenztischen an den Wänden, entstand ein unbeschreibliches Stoßen und Drängen. Ein schöner großer Mann, der so unvorsichtig gewesen, seinen Hut in der Hand zu behalten, wurde so nachdrücklich an die Wand gepreßt, daß

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