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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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durch die Wälder strich; der Tod überraschte ihn inmitten seiner entzückten Bewunderung des eigenen Bildes, der Tod beraubte ihn seiner Kräfte und gleich einer Fee der Apotheose beschwor Venus mit dem ausgestreckten Finger sein Verhängniß über ihn herauf. Er wurde zur Blume. Seine Gliedmaßen gingen allmälig in dunkles Grün über; die leicht zurückgebogenen Füße, die den biegsamen Stengel darstellten, versenkten sich in die Erde, um daselbst Wurzel zu fassen, während der Oberkörper, welchen breite, weiße Seidenstreifen zierten, sich in eine herrliche Blumenkrone verwandelte. Die blonden Haare Maxime's vervollständigten die Täuschung und die langen Locken bildeten die gelben Staubfäden inmitten der weißen Kelchblätter. Und die große werdende Blume, die noch menschlich fühlte, neigte den Kopf dem Wasserspiegel zu, während die Augen trunken blickten und das Gesicht in wonnevoller Begeisterung lächelte, als hätte der schöne Narziß im Tode die Befriedigung der Begierden gefunden, die er sich selbst eingeflößt. Wenige Schritte von ihm entfernt lag auch die Nymphe Echo im Sterben; sie starb, weil ihr Verlangen unbefriedigt geblieben. Allmälig ging die Regungslosigkeit des Bodens auf sie selbst über und ihre von heißem Leben erfüllten Glieder wurden kalt und starr. Sie ward nicht zum gewöhnlichen, von Moos bedeckten Felsen, sondern zu weißem Marmor, dank ihren Schultern und ihren Armen, dank ihrem schneeweißen Kostüm, dessen Laubgürtel und blaue Schärpe verschwunden waren. Kraftlos zusammensinkend, während ihr weißes Satinkleid sich in weiten Falten gleich den Umrissen eines Marmorblocks um sie legte, glitt sie zu Boden und ihr zur Statue gewordener Leib hatte nichts Lebendes mehr in sich außer ihren Augen, diesen Augen, die sich sehnsuchtsvoll auf das Spiegelbild des Baches richteten. Und schon schien es, als ob alle Liebeslaute des Waldes, die lang gezogenen Töne des Dickichts, das geheimnißvolle Rauschen der Blätter, die tiefen Seufzer der mächtigen Eichen, sich auf die Marmorfläche der Nymphe Echo niederlassen wollten, deren Herz auch inmitten des Blockes blutend, selbst die leisesten Klagen der Erde und der Luft wiedergab.
    »Ach Gott! wie sie den armen Maxime vermummt haben!« sagte Luise halblaut. »Und Frau Saccard sieht aus, als wäre sie todt.«
    »Sie ist ganz bedeckt vom Reispuder,« behauptete Frau Michelin.
    Andere, ebenso wenig verbindliche Bemerkungen wurden laut. Das dritte Bild konnte sich des rückhaltslosen Beifalls der beiden ersten nicht rühmen. Und dessenungeachtet war es gerade dieser tragische Ausgang, welcher Herrn Hupel de la Noue über sein eigenes Talent in Begeisterung versetzte. Er bewunderte sich in demselben, wie sich sein Narziß im Spiegelbilde der Quelle bewunderte. Er habe – meinte er – eine Menge poetischer und philosophischer Gedanken eingestreut. Als sich der Vorhang zum letzten Male geschlossen und die Zuschauer, wie es sich für wohlerzogene Leute schickt, ihren Beifall gespendet hatten, empfand er bittere Reue darob, daß er seinem Zorne nachgegeben und den letzten Theil seines Poëms nicht erläutert hatte. Er wollte nun den Personen, die sich in seiner Nähe befanden, eine Erklärung der liebenswürdigen, großartigen oder einfach nur schelmischen Dinge liefern, welche der schöne Narziß und die Nymphe Echo darstellten und er wollte sogar sagen, was Venus und Pluto im Hintergrunde der Lichtung getrieben; all' diese Herren und Damen aber, deren auf das Praktische gerichteter Sinn für die Grotte der Liebe und die Höhle des Goldes volles Verständniß gezeigt, verriethen keinerlei Neigung, sich in die mythologischen Auseinandersetzungen des Präfekten zu versenken. Nur die Herren Mignon und Charrier, die Alles wissen wollten, waren so liebenswürdig, ihn zu befragen. Er bemächtigte sich ihrer, drängte sie in eine Fensternische und hielt ihnen da einen zweistündigen Vortrag über Ovid's »Metamorphosen«.
    Der Minister zog sich indessen zurück. Er entschuldigte sich, daß er die schöne Frau Saccard nicht erwarten könne, um ihr seine Bewunderung über die vollendete Anmuth der Nymphe Echo auszudrücken. Er war Arm in Arm mit seinem Bruder zwei- oder dreimal durch den Salon geschritten, hatte einigen Leuten die Hand gedrückt und mehrere Damen begrüßt. Niemals noch hatte er sich Saccard's wegen in solchem Maße bloßgestellt. Der Spekulant strahlte vor Freude, als er ihm bei der Thür angelangt, mit lauter Stimme

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