Die Treibjagd
bequemen Fauteuil und verzehrte behaglich eine Pastetenschnitte, die man ihm vorgesetzt hatte. Die Marquise eroberte sich neuerdings die Gunst des Präfekten, indem sie ihm sagte, daß sie die künstlerischen Reizungen, welche ihr die Darstellung der »Liebe des schönen Narziß und der Nymphe Echo« bereitet, niemals vergessen werde. Sie erklärte ihm auch in einer ihn völlig zufriedenstellenden Weise, weshalb man beim dritten Bilde nicht auf ihn gewartet: als die Damen nämlich erfahren hatten, daß der Minister zugegen sei, waren sie der Ansicht, es sei nicht schicklich, den Zwischenakt noch länger hinauszudehnen. Schließlich bat sie ihn, Frau Haffner zu holen, die mit Herrn Simpson tanzte, – ein brutaler Mann, wie sie sagte, der ihr sehr mißfiel. Und als Susanne bei ihr war, würdigte sie Herrn Hupel de la Noue keines Blickes mehr.
Von den Herren Toutin-Laroche, von Mareuil und Haffner begleitet, hatte sich Saccard eines Kredenztisches bemächtigt. Die Tafel war voll besetzt und da gerade Herr von Saffré mit Frau Michelin am Arme vorüberkam, hielt er ihn an und bewog die hübsche Brünette, mit ihnen zu halten. Die junge Frau verzehrte allerlei süßes Backwerk und blickte die sie umgebenden fünf Männer aus den hellen Augen lächelnd an. Die Herren neigten sich zu ihr, berührten ihre von Goldfäden durchzogenen Schleier und drängten sie immer dichter an den Kredenztisch, so daß sie bereits an demselben lehnte und so nahm sie aus den Händen aller Herren sanft und schmeichelnd die verschiedenen Mundvorräthe an, mit der verliebten Willigkeit einer Sklavin, die von ihren Gebietern umgeben ist. Herr Michelin dagegen verzehrte am anderen Ende des Gemaches in aller Gemüthsruhe eine treffliche Gänseleberpastete, deren er sich zu bemächtigen vermocht.
Inzwischen trat Frau Sidonie, die seit den ersten Klängen des Orchesters im Ballsaal herumstrich, in den Speisesalon und winkte Saccard mit den Augen zu sich heran.
»Sie tanzt nicht,« sprach sie mit leiser Stimme zu ihm; »und scheint unruhig zu sein. Ich glaube, sie bereitet einen Handstreich vor ... Den Galan konnte ich aber noch nicht entdecken ... Ich will jetzt nur etwas essen und dann wieder auf den Anstand gehen.«
Und stehend wie ein Mann verzehrte sie den Flügel eines Huhnes, den sie sich durch Herrn Michelin, der mit seiner Gänseleber fertig geworden, reichen ließ. Dazu trank sie aus einem großen Champagnerkelche Malaga und nachdem sie sich mit den Fingern die Lippen getrocknet, kehrte sie in den Salon zurück. Die Schleppe ihres Magierin-Kostüms schien bereits allen Staub der Teppiche gesammelt zu haben.
Der Ball wollte nicht mehr recht von der Stelle und auch das Orchester ließ bereits bedenkliche Pausen eintreten, als ein Gemurmel laut wurde: »Einen Kotillon! einen Kotillon!« welches neues Leben in die Tänzer und Blechinstrumente brachte. Aus allen Winkeln des Treibhauses kamen Paare herbei, der Salon füllte sich wie zur ersten Quadrille und inmitten des entstehenden Gewirrs wurde lebhaft verhandelt. Es war das letzte Aufflackern des Balles, gleich einem Lichte, welches dem Erlöschen nahe ist. Die Herren, die nicht tanzten, sahen aus ihren Nischen wohlwollenden Blickes zu, die inmitten des Raumes plaudernde Gruppe wurde immer größer, während die im Speisesaal befindlichen Personen die Hälse reckten, um zu sehen, was es denn gäbe, ohne dabei mit dem Essen aufzuhören.
»Herr von Mussy will nicht,« sagte eine Dame. »Er hat geschworen, den Kotillon nicht anzuführen ... Ach, Herr von Mussy, nur noch einmal, bitte, noch ein einziges Mal ... uns zu Liebe ...«
Der junge Botschaftsattaché aber war nicht umzustimmen. Es sei wirklich unmöglich; er habe es gelobt. Die Enttäuschung war allgemein. Maxime lehnte es auch ab; er sei ganz erschöpft und könne nicht, behauptete er. Herr Hupel de la Noue wagte sich nicht anzubieten; er ließ sich nur bis zur Poesie herab. Eine Dame, die von Herrn Simpson sprach, wurde überschrieen, denn dieser junge Mann war der absonderlichste Kotillonarrangeur, den man sich nur denken konnte. Er hatte die merkwürdigsten und boshaftesten Einfälle und in einem Salon, wo man so unvorsichtig gewesen, ihn zum Kotillonführer zu wählen, erzählte man sich, er habe die Damen gezwungen, über die Stühle zu springen und daß eine seiner beliebtesten Figuren darin bestehe, die Tänzer und Tänzerinen auf allen Vieren durch den Tanzsaal marschieren zu lassen.
»Ist Herr von Saffré nicht mehr da?«
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