Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
im Gesichte, ihre Korallenschnüre schüttelnd flog die Comtesse Vanska von der Brust des Herrn von Saffré an die des Herzogs von Rozan, den sie umschlang und während fünf Minuten mit ihr zu tanzen zwang, um sich dann an den Hals des Herrn Simpson zu werfen, der seinen Smaragd dem Führer des Kotillons zugewirbelt hatte. Und Frau Teissière, Frau Daste, Frau von Lauwerens funkelten gleich lebenden Edelsteinen, während sie sich in die Arme eines Tänzers schmiegten, um von denselben gleich wieder losgelassen zu werden und gerade oder rücklings in eine neue Umarmung zu taumeln, auf diese Weise die Umschlingung aller im Saale anwesenden Männer verkostend. Frau von Espanet aber war es gelungen, vor dem Orchester Frau Haffner aufzufangen und nun tanzte sie mit ihr, ohne sie freizugeben. Gold und Silber walzten verliebt mit einander.
    Nun verstand Renée diesen Wirbel der Röcke, dieses Stampfen der schwarzen Beine. Sie stand tiefer unten und sah das Toben der Füße, das Gewirr der glänzend schwarzen Schuhe und weißen Knöchel. Mitunter schien es ihr, als sollte ein Windstoß all' diese Röcke entführen. Die nackten Schultern und nackten Arme, die flatternden Haare, die vor- und rückwärts geworfen wurden, däuchten ihr ein lärmendes Abbild ihres eigenen Lebens, ihrer Leidenschaften und Schamlosigkeiten zu sein. Und sie empfand einen so grimmigen Schmerz bei dem Gedanken, daß Maxime, um die Buckelige in die Arme zu schließen, sie an diesem Orte, wo ihre Liebe so flammend über sie zusammengeschlagen, erbarmungslos zurückgelassen, daß sie einen Zweig des giftigen Tanghin, der ihre Wange streifte, abbrechen und bis auf die Holzfasern abnagen wollte. Sie war aber feige und blieb fröstelnd vor dem Strauch stehen, während ihre Hände wie in tiefer Scham den Pelzmantel eng über ihre nackten Gliedmaßen zogen.

 
VII.
    Drei Monate später, an einem jener trüben, regnerischen Frühlingstage, welche in Paris eine Wiederkehr des Winters zu bedeuten scheinen, stieg Aristide Saccard an der Place du Chateau-d'Eau aus dem Wagen und betrat, von vier anderen Herren gefolgt, den durch Demolirungsarbeiten freigelegten Raum, welcher sich damals an Stelle des zukünftigen Boulevard du Prince Eugene erstreckte. Die kleine Gesellschaft war als Untersuchungskommission von der Jury der Entschädigungen an Ort und Stelle entsendet worden, um gewisse Liegenschaften abzuschätzen, deren Eigenthümer sich mit der Stadt nicht gütlich zu verständigen vermocht.
    Saccard wiederholte dasselbe Vorgehen, welches er in der Rue de la Pepinière befolgt hatte. Damit der Name seiner Frau vollständig aus der Angelegenheit verschwinde, wurde in erster Linie ein Scheinverkauf des Grundstückes sammt den sich darauf befindlichen Baulichkeiten bewerkstelligt. Larsonneau trat das Ganze einem angeblichen Gläubiger ab. Der Verkaufsvertrag wies die kolossale Summe von drei Millionen auf. Diese Ziffer war eine derart übertriebene, daß als der Expropriationsagent im Namen des imaginären Eigenthümers den Ankaufspreis als Entschädigung forderte, die Entschädigungs-Kommission trotz der unermüdlichen Wühlarbeit des Herrn Michelin und der Fürsprache des Herrn Toutin-Laroche und des Barons Gouraud unter keinen Umständen mehr als zwei Millionen fünfhunderttausend Francs bewilligen wollte. Saccard war hierauf vorbereitet gewesen; er lehnte das Angebot ab und ließ die Sache vor die Jury kommen, deren Mitglied sowohl er als auch Herr von Mareuil war. Und so traf es sich, daß er mit vier Kollegen beauftragt wurde, auf seinem eigenen Grund und Boden eine Schätzung vorzunehmen.
    Herr von Mareuil begleitete ihn. Die drei anderen Jurymitglieder waren ein Arzt, der eine Zigarre rauchend, sich nicht im Mindesten um die ihn umgebenden Dinge kümmerte, und zwei Industrielle, deren Einer, Fabrikant chirurgischer Instrumente, ehedem mit dem Schleifstein durch die Straßen gefahren war.
    Der Weg, den die Herren betraten, war entsetzlich. Während der ganzen Nacht hatte es geregnet. Der durchweichte Boden bildete ein Kothmeer, in welchem die Fuhrwerke, welche den Schutt fortschafften, bis zur Radnabe versanken. Zu beiden Seiten erhoben sich geborstene Mauern, an welchen bereits die Spitzhacke gearbeitet hatte; hohe, zerstörte Gebäude, die ihr ausgeweidetes Inneres sehen ließen, reckten ihre leeren Treppenhäuser, ihre gähnenden Zimmerreihen in die Luft empor, den zertrümmerten Schubfächern eines großen, häßlichen Möbelstückes vergleichbar.

Weitere Kostenlose Bücher