Die Treibjagd
hätte, um sich des Gewonnenen zu freuen. Hinter den breiten Schultern des Vaters tauchte jetzt der hübsche Blondkopf Maxime's auf, mit seinem einfältigen Mädchenlachen, seinen ausdruckslosen Augen einer Metze, die sich niemals zu Boden senkten und dem Haartheil in der Mitte der Stirne, welches den weißen Schädel sehen ließ. Er machte sich lustig über Saccard, weil sich derselbe so unsägliche Mühe gab, die Reichthümer zu erwerben, welche er mit so herrlicher Lässigkeit verzehrte. Er war ein Ausgehaltener. Seine langen, weichen Hände verriethen sein Laster, sein schlanker Leib hatte die schlaffe Haltung einer gesättigten Frau. In diesem ganzen feigen, widerstandslosen Wesen, durch dessen Adern das Laster sanft wie laues Wasser rollte, verrieth sich nicht einmal der Schimmer des nach dem Schlechten trachtenden Verlangens. Und als Renée die beiden Schatten aus dem Spiegel treten sah, wich sie einen Schritt zurück, denn sie sah, daß Saccard sie wie einen Einsatz, wie ein Betriebsmittel ausgesetzt hatte und daß Maxime zugegen gewesen, um den aus der Tasche des Spekulanten gefallenen Louis aufzuheben. Sie bildete ein Werthpapier in dem Portefeuille ihres Gatten; er drängte sie zu den Toiletten, die sie während einer Nacht benützte, zu den Liebhabern, die sie einen Monat hatte, tauchte sie in die Flammen seines Hochofens, bediente sich ihrer wie eines Edelmetalls, um das Eisen seiner Hände zu vergolden. Und allmälig war es dem Vater gelungen, sie genügend wahnsinnig, genügend schlecht zu machen, um daß sie sich den Küssen des Sohnes hingebe. Wenn Maxime das entartete Abbild Saccard's war, so fühlte sie, daß sie selbst das Produkt, die blutschänderische Frucht dieser beiden Männer, die Infamie sei, welche jene zwischen sich geschaffen und in welche Beide versunken waren.
Nun wußte sie Alles. Diese Leute hatten sie entkleidet. Saccard hatte ihr Mieder gelöst, Maxime die Röcke heruntergezogen und zu Zweien hatten sie ihr das Hemd vom Leibe gerissen. Jetzt stand sie da, ohne einen Fetzen am Leibe und mit goldenen Spangen wie eine Sklavin. Sie hatten sie vorhin gesehen und nicht einmal gesagt: »Du bist ja nackt!« Der Sohn zitterte wie eine Memme, erschrack bei dem Gedanken, sein Verbrechen zu vollenden und weigerte sich, in ihrer Leidenschaft ihr weiter zu folgen. Der Vater aber bestahl sie, statt sie zu tödten; dieser Mann strafte die Leute, indem er deren Taschen leerte. Eine Namensunterschrift fiel gleich einem Sonnenstrahl in die Brutalität seines Zornes und um Rache zu üben, nahm er diese Unterschrift mit sich. Sodann hatte sie die Schultern der Beiden in dem Dunkel der Treppe verschwinden sehen. Und kein Blut auf dem Teppich, kein Schrei, keine Klage. Beide waren feige Memmen und hatten sie nackt ausgezogen.
Und sie sagte sich, daß sie ein einziges Mal die Zukunft gesehen und zwar an dem Tage, da angesichts der murmelnden Schatten des Monceau-Parkes der Gedanke, daß ihr Gatte sie verunglimpfen und eines Tages dem Wahnsinne preisgeben werde, sie inmitten ihrer wachsenden Begierden erschreckt hatte. Ach! wie schmerzte sie ihr armer Kopf! wie deutlich ward sie sich zu dieser Stunde der Unhaltbarkeit jenes Phantasiegebildes bewußt, welches sie hatte glauben machen wollen, daß sie in einer Atmosphäre glücklichen Genießens und göttlicher Straflosigkeit leben werde! Sie hatte im Reiche der Schande gelebt und ward durch das Ersterben ihres Leibes, durch den Tod ihres in den letzten Zügen liegenden ganzen Wesens bestraft. Und sie weinte, weil sie den eindringlichen Stimmen der Bäume kein Gehör geschenkt.
Ihre Blöße reizte sie zum Zorn. Sie wandte den Kopf ab und blickte um sich. In dem Ankleidezimmer herrschte noch immer die schwere, von Düften gesättigte Luft, dieselbe warme Stille, welche die Walzertöne nur noch wie die sich immer mehr verbreiternden Kreise des Wassers berührten, in welches ein Stein geworfen worden. Diese fernen Klänge einer übersprudelnden Lebenslust machten auf sie den Eindruck unerträglichen Spottes. Sie hielt sich die Ohren zu, um nichts zu hören. Dafür sah sie nun den wollüstigen Luxus des Gemaches. Sie erhob den Blick zu dem rosafarbenen Zelt, bis zu der silbernen Krone, welche einen pausbäckigen Amor sehen ließ, der sich anschickte, seinen Pfeil abzuschnellen; sie betrachtete die Möbel, den Marmor des Toilettetisches, welchen eine Menge von Töpfen und Toilette-Geräthschaften bedeckte, die sie nicht mehr erkannte; sie schritt zu der noch
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