Die Treibjagd
und Herren, die sich unter einander mengten, während die Stimme des Herrn von Saffré sprach:
»Vorwärts, meine Damen; nun kommt der »Krieg von Mexiko« ... Die Damen, welche das Gesträuch darstellen, setzen sich mit ausgebreiteten Röcken auf die Erde ... Darauf umtanzen die Herren das Gesträuch und sobald ich in die Hände klatsche, tanzt jeder Herr mit seiner Dame.«
Er klatschte in die Hände, das Orchester fiel ein und noch einmal jagte der Walzer die Paare durch den Salon. Die Figur fand nur geringen Beifall. Zwei Damen waren auf dem Teppich sitzen geblieben, da sie sich in ihre Röcke verwickelt hatten. Frau Daste erklärte, daß an dem »mexikanischen Kriege« nichts weiter Ergötzliches sei, als daß sie einen großen »Käse« machte, wie in der Schule.
Im Vestibule angelangt, fand Renée Luise und deren Vater vor, die von Saccard und Maxime begleitet wurden. Baron Gouraud hatte sich bereits entfernt. Frau Sidonie zog sich in Gesellschaft der Herren Mignon und Charrier zurück, während Herr Hupel de la Noue Frau Michelin begleitete, deren Gatte von Weitem folgte. Der Präfekt hatte den Rest des Abends dazu verwendet, der brünetten Schönheit den Hof zu machen und sie schließlich bewogen, in der schönen Jahreszeit einen Monat in dem Hauptorte seines Departements zu verbringen, »wo es wirklich sehenswürdige Antiquitäten gebe.«
Luise, die den Mandelkuchen, den sie in der Tasche hatte, insgeheim verzehrte, ward von einem Hustenanfall erfaßt, als man das Vestibule verlassen wollte.
»Hülle Dich gut ein,« ermahnte ihr Vater.
Und Maxime beeilte sich, die Schnüre ihrer Umhülle fester zusammenzuziehen. Sie hob dabei das Kinn empor und ließ ihn gewähren. Als aber Frau Saccard erschien, trat Herr von Mareuil zurück, um von ihr Abschied zu nehmen. So blieben sie Alle einen Augenblick plaudernd stehen. Um ihre Blässe, ihr Frösteln zu erklären, sagte Renée, es sei ihr kalt gewesen und sie sei darum hinaufgegangen, um diesen Pelz umzunehmen. Dabei lauerte sie auf einen Moment, um Luise, die sie mit ruhiger Neugierde betrachtete, einige Worte zuflüstern zu können. Jetzt reichten sich die Herren die Hände und da neigte sie sich zu ihrem Ohr mit den Worten:
»Sie werden ihn doch nicht heirathen, wie? Das wäre gar nicht möglich, denn Sie wissen ja ...«
Das junge Mädchen fiel ihr aber ins Wort, indem sie sich auf die Fußspitzen emporrichtete und ebenfalls flüsternd erwiderte:
»Oh, seien Sie ganz unbesorgt, denn ich nehme ihn mit mir ... Das hat gar nichts zu sagen, da wir nach Italien reisen.«
Und sie lächelte; es war das geheimnißvolle Lächeln einer lasterhaften Sphinx. Renée war sprachlos. Sie verstand sich nicht auf dieses Geschöpf und meinte, die Buckelige wolle sich über sie lustig machen. Als dann Vater und Tochter fort waren, nachdem sie mehrmals wiederholt hatten: »Auf Wiedersehen am Sonntag!« blickte sie ihren Gatten, blickte sie Maxime aus großen, entsetzten Augen an und da sie Beide so ruhig, so befriedigt sah, schlug sie die Hände vor dem Gesicht zusammen und flüchtete in die Tiefe des Treibhauses.
Hier war Alles einsam und verlassen. Die großen Blätter schliefen und auf der regungslosen Wasserfläche des Bassins erschlossen zwei Nymphäen langsam ihre Knospen. Renée hätte weinen mögen; diese feuchte Wärme, dieser durchdringende Geruch aber, den sie wiedererkannte, packte sie in der Kehle, legte sich wie eine würgende Faust um ihre Verzweiflung. Sie blickte zu ihren Füßen, zu dem Rande des Bassins nieder, auf dieselbe Stelle des gelben Sandes, wo sie im vergangenen Winter die Bärenhaut ausgebreitet hatte und als sie den Kopf emporhob, sah sie durch die zwei offen gebliebenen Thüren abermals eine Kotillonfigur.
Im großen Salon herrschte jetzt ein betäubender Lärm, ein tolles Gewühl, in welchem sie vorerst nichts Anderes unterschied als flatternde Frauenkleider und stampfende, hüpfende schwarze Beine. Die Stimme des Herrn von Saffré schrie: »Die Damen wechseln! Die Damen wechseln!« Und die Paare wirbelten in einer dünnen, gelblichen Staubwolke dahin; jeder Herr warf seine Dame, nachdem er drei oder vier Walzertouren mit ihr gemacht, in die Arme seines Nachbars, der ihm dafür die seinige überließ. Die Baronin von Meinhold gelangte in ihrem Smaragdkostüm aus den Händen des Grafen von Chibray in die des Herrn Simpson; er fing sie auf gut Glück bei den Schultern auf, während die Spitzen seiner Handschuhe in ihr Mieder glitten. Ganz roth
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