Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
gefüllten Badewanne, deren Wasser sich nicht regte und stieß mit dem Fuße an das Kostüm der Nymphe Echo, an die Röcke und gebrauchten Tücher, die auf dem Boden umherlagen. Und all' diese Dinge verkündeten mit lauter Stimme ihre Schmach: das Nymphenkostüm sprach ihr von dem Spiele, in welches sie eingewilligt hatte, um der Originalität wegen sich Maxime vor allen Leuten anzubieten; der Badewanne entströmte der Duft ihres Körpers, das Wasser, welches ihre Glieder umspült, erfüllte den Raum mit ihrem Fieber der kranken Frau und der Tisch mit seinen Seifen und Oelen, die Möbelstücke mit ihren weichen Rundungen redeten brutal von ihrer Sinnlichkeit, ihren Liebschaften, von all' diesem Unflath, den sie vergessen wollte. Wieder kehrte sie in die Mitte des Gemaches zurück; ihr Antlitz war purpurroth und sie wußte nicht, wohin sie vor diesem Alkovenduft, diesem Luxus fliehen sollte, der sich mit schamloser Zudringlichkeit rosenroth vor ihr ausbreitete. Das Gemach war ebenso nackt wie sie; die rosa Badewanne, die rosenrothen Tapeten, die rosenfarbenen Marmorplatten der beiden Tische belebten sich, streckten und dehnten sich und umgaben sie mit solch' wollüstigen Bildern, daß sie die Augen schloß und den Kopf senkte, als lasteten die Wände und die Decke auf ihr.
    Doch trotzdem sie die Augen geschlossen hielt, sah sie das fleischfarbene Ankleidezimmer vor sich, gleichwie die grauen Seidenvorhänge des Schlafgemaches, das gedämpfte Gold des kleinen Salons, das satte Grün des Treibhauses, – all' diese Reichthümer, die ihre Mitschuldigen waren. Dort hatte sie die schlechten Säfte eingesogen. Auf dem elenden Lager eines kahlen Mansardenstübchens hätte sie nicht mit Maxime geschlafen. Das wäre zu gemein, zu niedrig gewesen. Die Seide hatte ihrer Schuld den Anstrich des Koketten verliehen. Und sie wollte all' diese Spitzen von den Wänden reißen, auf diese Seide speien, ihr großes Bett mit Fußtritten zertrümmern, ihren ganzen Luxus durch die Gosse zerren, damit er abgenützt und verunreinigt gleich ihr wieder zum Vorschein komme.
    Als sie die Augen wieder öffnete, trat sie zum Spiegel und betrachtete sich von Neuem. Es war zu Ende mit ihr und sie sah sich todt. Ihre ganze Physiognomie sagte ihr, daß die geistige Zerrüttung Fortschritte mache. Maxime, diese letzte Verirrung ihrer Sinne, hatte das Werk vollbracht, ihre Kräfte erschöpft, ihren Geist gebrochen. Sie hatte keine Freuden mehr zu verkosten, kein Erwachen zu erwarten. Bei diesem Gedanken regte sich ein wilder Zorn in ihr. Und in einer letzten Krise brennenden Verlangens wollte sie ihre Beute wieder an sich reißen, in den Armen Maxime's sterben und ihn mit sich nehmen. Luise konnte ihn nicht heirathen; Luise wußte, daß er nicht ihr gehöre, denn sie hatte es mitangesehen, wie sie einander umarmt und geküßt. Sie warf einen Pelzmantel um ihre Schultern, um nicht nackt unter den Leuten zu erscheinen und stieg hinab.
    Im kleinen Salon fand sie sich Frau Sidonien gegenüber, die neuerdings an der Thür des Treibhauses Stellung genommen, um das sich vorbereitende Drama zu genießen. Sie wußte aber nicht, was sie sich denken sollte, als Saccard mit Maxime zum Vorschein kam und ihre mit leiser Stimme gestellten Fragen brutal dahin beantwortete, daß sie wohl geträumt habe und daß »absolut nichts« gewesen sei. Dann ward ihr der Zusammenhang klar. Ihr gelbes Gesicht wurde ganz bleich; die Sache erschien ihr wirklich stark. Und vorsichtig drückte sie das Ohr an die Thür der Treppe, da sie glaubte, sie werde Renée oben weinen hören. Als die junge Frau die Thür öffnete, traf dieselbe beinahe den Kopf ihrer Schwägerin.
    »Sie spioniren also hinter mir?« fragte sie zornig.
    Frau Sidonie aber erwiderte voll edler Verachtung:
    »Kümmere ich mich etwa um Ihre Unfläthigkeiten?«
    Und ihren Magiertalar zurechtziehend, entfernte sie sich mit einem hoheitsvollen Blick, indem sie sagte:
    »Ich bin ganz unschuldig daran, mein Schatz, wenn Ihnen Unannehmlichkeiten widerfahren ... Ich bin aber keine rachsüchtige Person, das halten Sie stets vor Augen, ebenso, daß Sie in mir eine zweite Mutter gefunden hätten und immer noch finden würden. Wann immer Sie bei mir vorsprechen, sollen Sie mir willkommen sein.«
    Renée vernahm ihre Worte gar nicht. Sie trat in den großen Salon und wanderte mitten durch eine sehr komplizirte Kotillonfigur, ohne gar das Erstaunen zu bemerken, welches ihr Pelzmantel erregte. In der Mitte des Raumes standen Damen

Weitere Kostenlose Bücher