Die Treibjagd
Teufel. Er empfing sie in einem tadellosen Hausanzug. Es war das eine Zeit, zu welcher die Abenteurer des 2. Dezember, nachdem sie ihre Schulden bezahlt, ihre abgetretenen Stiefel und an den Nähten zerschlissenen Gewänder in die Gosse warfen, ihre acht Tage alten Bartstoppel abrasierten und ordentliche Menschen wurden. Saccard hatte ein Gleiches gethan; er reinigte sich die Nägel und wusch sich nur mehr mit duftenden Seifen und stark riechenden Parfüms. Er war sehr galant und änderte insoferne seine Taktik, als er eine unglaubliche Uneigennützigkeit bekundete. Als die alte Dame vom Kontrakt sprach, machte er eine Bewegung, wie um zu sagen, daß ihn dies wenig anfechte. Seit acht Tagen studierte er die einschlägigen Gesetzartikel und erwog er diese ernste Frage, von welcher in Hinkunft seine Freiheit als Geschäftsmann abhing.
»Kommen wir doch schon zu Ende mit dieser leidigen Geldfrage,« sagte er. »Meiner Ansicht nach sollte Fräulein Renée freie Verfügung über ihr Vermögen behalten und ich über das meinige. Der Notar wird dies schon besorgen.«
Tante Elisabeth billigte diese Auffassung, denn sie hatte davor gezittert, daß dieser Mann, dessen eiserne Faust sie bereits hinter der Sammtpfote vermuthete, sich auch der Mitgift ihrer Nichte werde bemächtigen wollen. Nun sprach sie auch über diese Mitgift.
»Das Vermögen meines Bruders besteht zum weitaus größten Theile aus Häusern und Liegenschaften,« sprach sie. »Er ist nicht der Mann dazu, um seine Tochter durch Vorenthaltung des ihr zufallenden Antheils zu bestrafen. Er übergiebt ihr einen in der Sologne gelegenen Grundbesitz im Werthe von dreihunderttausend Francs, sowie ein Haus in Paris, welches ungefähr auf zweihunderttausend Francs bewerthet ist.« Saccard war förmlich geblendet, – eine solche Summe hatte er nicht erwartet. Er wendete sich halb zur Seite, um die Blutwelle nicht merken zu lassen, die seine Wangen färbte.
»Dies ergiebt einen Gesammtwerth von fünfhunderttausend Francs,« fuhr die Tante fort; »doch will ich Ihnen nicht verhehlen, daß der Sologner Grundbesitz blos zwei Perzent abwirft.«
Er lächelte und wiederholte die Bewegung, die seine Uneigennützigkeit ausdrücken sollte, als wollte er damit sagen, daß er sich nicht darum kümmere, da er ja auch mit dem Vermögen seiner Frau nichts zu thun haben wolle. In seinem Fauteuil zurückgelehnt, drückte seine Haltung absolute Gleichgiltigkeit aus: er schien zerstreut, spielte mit seinen Pantoffeln und hörte ihr offenbar nur aus Höflichkeit zu, um sie nicht zu verletzen. Frau Aubertot sprach langsam, vorsichtig, in der Einfalt ihres Herzens bemüht, ihn mit keinem Worte zu beleidigen. Und so fuhr sie fort:
»Schließlich möchte auch ich Renée ein Geschenk machen. Ich habe keine Kinder, mein Vermögen fällt eines Tages doch nur meinen Nichten zu und ich werde Herz und Hand nicht verschließen, weil eine derselben heute in Trauer versunken ist. Schon seit langer Zeit sind die Hochzeitsgeschenke beider Schwestern vorbereitet. Das Geschenk, welches für Renée bestimmt ist, besteht aus umfassenden Grundstücken bei Charonne, welche ich auf zweihunderttausend Francs glaube bewerthen zu können. Indessen ...«
Bei dem Worte »Grundstücke« war Saccard ein wenig zusammengezuckt. Unter seiner erheuchelten Gleichgiltigkeit hörte er mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Tante Elisabeth gerieth wieder in Verlegenheit, da ihr offenbar wieder das entsprechende Wort fehlte und erröthend fuhr sie fort:
»Indessen wünsche ich, daß das Eigenthumsrecht dieser Grundstücke auf das erste Kind Renée's übertragen werde. Sie werden meine Absicht begreifen; ich will nicht, daß Ihnen dieses Kind eines Tages zur Last fallen solle. Sollte dasselbe sterben, so verbleibt Renée alleinige Eigenthümerin.«
Er zuckte mit keiner Wimper, nur seine gerunzelten Brauen verriethen, wie erregt er innerlich sei. Die an der Charonne liegenden Grundstücke erweckten eine Fluth von Gedanken in ihm. Frau Aubertot fürchtete, ihn verletzt zu haben, als sie von dem Kinde Renée's sprach und ganz bestürzt schwieg sie stille, nicht wissend, wie sie die Verhandlungen fortführen solle.
»Sie haben mir noch nicht gesagt, in welcher Straße sich das auf zweihunderttausend Francs bewerthete Haus befindet?« fragte er im Tone gutmüthiger Zuvorkommenheit.
»In der Rue de la Pepinière, fast an der Ecke der Rue d'Astorg,« erwiderte sie.
Diese einfachen Worte waren von entscheidender Wirkung auf ihn.
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