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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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schimmernder Thau, gleichsam ein goldener Regen auf die rechte Uferseite der Stadt hernieder, da wo die Madeleine-Kirche steht und die Tuilerien enden. Dieser Anblick erinnerte gleichsam an eine Zauberstadt aus Tausendundeiner Nacht, mit ihren Smaragd-Bäumen, Saphirdächern und Wetterfahnen aus Rubinen. Es kam ein Augenblick, da die durch zwei Wolken sich durchwindenden Strahlen so blendend wurden, daß die Häuser zu lodern und zu zerstießen schienen, wie ein Goldbarren in einem Schmelztiegel. »Ach, sieh doch:« sagte Saccard mit kindlichem Lachen; »in Paris regnet es Zwanzigfrancsstücke!«
    Auch Angèle begann zu lachen und sagte dann, es dürfte nicht leicht werden, diese Goldstücke aufzulesen. Ihr Gatte aber hatte sich erhoben und sich zum Fenster hinauslehnend, fuhr er fort:
    »Das ist die Vendôme-Säule, nicht wahr, die dort so leuchtet. Und da, mehr nach rechts, die Madeleine-Kirche. Ein schönes Viertel, wo es Vieles zu thun giebt. Oh! jetzt wird Alles in Flammen gehüllt sein! Siehst Du? Man sollte meinen, das ganze Viertel siede in der Retorte eines Alchimisten.«
    Seine Stimme klang ernst und bewegt. Der Vergleich den er gefunden, schien ihn selbst zu überraschen. Er hatte Wein getrunken, seine gewöhnliche Schweigsamkeit war gewichen und den Arm ausstreckend, um seiner Frau, die neben ihm im Fenster lehnte, Paris zu zeigen, fuhr er zu sprechen fort:
    »Ja, ja, ich sagte ganz richtig, mehr als ein Viertel wird zerfließen und Gold an den Fingern der Leute haften bleiben, die unter dem Kessel das Feuer nähren werden! Dieses große, einfältige Paris! sieh doch, wie riesengroß es ist, und wie sanft es einschlummert! Wie dumm sind doch diese großen Städte! Paris hat keine Ahnung von den zahllosen Spitzhauen, die es eines schönen Morgens angreifen werden und gar viele Hôtels der Rue d'Anjou würden bei den Strahlen der untergehenden Sonne nicht so prahlerisch leuchten und funkeln, wenn sie wüßten, daß sie blos drei oder vier Jahre noch zu leben haben!«
    Angèle dachte, ihr Gatte scherze blos. Er hatte die Gewohnheit, mitunter auf solch übertriebene und beunruhigende Art zu scherzen. Sie lachte, doch ein wenig erschrocken, als sie sah, daß dieser kleine Mann sich oberhalb des zu seinen Füßen schlummernden Riesen emporreckte und die geballte Faust schüttelte, wobei er die Lippen ironisch zusammenkniff. »Der Anfang ist schon gemacht,« fuhr er fort. »Das ist aber noch nichts. Sieh, dort unten, wo sich die Hallen erheben, hat man Paris in vier Theile geschnitten ...«
    Und mit der ausgestreckten geöffneten Hand, die fast einem großen Messer glich, machte er eine Bewegung, als trennte er die Stadt in vier Theile.
    »Du meinst offenbar die Rue de Rivoli und den neu angelegten Boulevard?« fragte seine Frau.
    »Ja, das große Fensterkreuz von Paris, wie sie es nennen. Der Louvre und das Stadthaus werden blosgelegt. Ein reines Kinderspiel das! Geeignet, um den Leuten Appetit zu machen. Sobald das erste Netz beendet worden, wird der große Tanz beginnen. Das zweite Netz wird die Stadt nach allen Richtungen durchbrechen, um die einzelnen Viertel mit dem ersten Netz zu verbinden. Die Trümmer werden in einem Meer von Kalk und Gips ersticken. Folge ein wenig den Bewegungen meiner Hand. Vom Boulevard du Temple bis Zur Barrière du Trône wird sich der erste Einschnitt hinziehen; nach dieser Seite hin, von der Madeleine bis zum Monceaux-Park ein zweiter; ein dritter nach dieser, ein vierter nach jener Richtung hin; ein Einschnitt hier, ein anderer dort, überall lauter Einschnitte, Paris förmlich von Schwerthieben zerhackt, mit offenen Pulsadern daliegend und hunderttausend Maurern und Erdarbeitern Brod und Arbeit gebend! Paris von herrlichen strategischen Wegen durchzogen, welche die Befestigungen gleichsam mitten in die alten Stadtviertel rücken.«
    Die Nacht war gekommen; seine trockene, nervöse Hand aber durchschnitt noch immer die Leere. Angèlen erfaßte ein leichter Schauder angesichts dieses lebenden Messers, dieser eisernen Finger, die ohne Erbarmen die dunkeln Dächer zerstückten. Seit einigen Minuten begannen leise Nebel auch die erhöhten Punkte zu umkreisen und in den zunehmenden Schatten meinte sie entferntes Krachen zu vernehmen, als hätte die Hand ihres Gatten thatsächlich die Einschnitte gezogen, von welchen er sprach, und die Paris von einem Ende zum anderen aufrissen, die Mauern bersten machten, Häuser hinwegfegten und tiefe, offene Wunden und Breschen zurückließen.

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