Die Treibjagd
steilen Abhängen der Paris umschließenden Hügel gelegenen und dadurch gänzlich lahmgelegten Vierteln einen natürlichen Ausweg zu bahnen.« Diese offizielle Phrase verrieth selbstverständlich nichts von dem Interesse, welches das Kaiserreich an dem Wirbeltanze der Goldstücke, an diesem Wegschaffen und Zuführen von Erde, Ziegeln und Mörtelwerk hatte, welche das Arbeitervolk unablässig beschäftigen sollten. Eines Tages hatte sich Saccard die Freiheit genommen, bei dem Präfekten jenen famosen Plan von Paris zu besichtigen, auf welchem »die Hand einer hochgestellten Persönlichkeit« mit rother Tinte die Hauptzüge des zweiten Netzes bezeichnet hatte. Diese blutigen Federstriche durchschnitten Paris noch tiefer, als die Hand des Wegekommissärs. Der Boulevard Malesherbes, der prächtige Hôtels in der Rue d'Anjou und Rue de la Ville-d'Évêque niederwerfen und bedeutende Erdarbeiten nöthig machen würde, sollte in erster Reihe in Angriff genommen werden. Als Saccard das Haus in der Rue de la Pepinière besichtigte, gedachte er jenes Herbstabends, jenes Diners, welches er mit Angèle am Montmartre eingenommen und während dessen Dauer bei den Strahlen der untergehenden Sonne ein so dichter Goldregen auf das Madeleine-Viertel niedergegangen. Er lächelte und sagte sich, die goldhaltige Wolke hätte sich über seinem Hofe entladen und nun werde er die vielen Zwanzigfrancsstücke auflesen.
Während Renée in ihrem verschwenderisch eingerichteten Heim der Rue de Rivoli, inmitten dieses neuen Paris, welches sie als Königin kennen lernen sollte, über ihre künftigen Toiletten nachdachte und ihre Rolle als zukünftige große Weltdame studierte, widmete sich ihr Gatte voll andächtigen Eifers seinem ersten großen Geschäfte. Vor Allem kaufte er ihr das Haus in der Rue de la Pepinière ab und zwar durch Vermittelung eines sicheren Larsonneau, den er dabei betreten hatte, wie er gleich ihm in den Bureaux des Stadthauses herumschnüffelte, aber die Dummheit beging, sich dabei überraschen zu lassen, wie er eines Tages auf dem Schreibtische des Präfekten herumkramte. Larsonneau hatte sich seither in einem finsteren, feuchten Hofe der Rue Saint-Jacques als Agent und Vermittler niedergelassen; doch sein Stolz, seine Habgier litten da ganz ungemein. Er befand sich auf demselben Punkte, wie Saccard vor seiner Verheirathung; auch er hatte, wie er sich ausdrückte, »eine Maschine zur Anfertigung von Hundertsousstücken« erfunden, nur mangelte es ihm an den ersten Geldmitteln, um aus seiner Erfindung Nutzen zu ziehen. Er verständigte sich rasch mit seinem ehemaligen Kollegen und machte seine Sache so gut, daß er das Haus für Hundertfünfzigtausend Francs erstand. Renée benöthigte schon nach wenigen Monaten bedeutende Geldsummen und ihr Gatte kümmerte sich nur insoferne um das Geschäft, als er ihr gestattete, das Haus zu verkaufen. Als der Handel abgeschlossen war, ersuchte sie ihn, für sie Hunderttausend Francs anzulegen, welche sie ihm in vollstem Vertrauen übergab, offenbar, um ihn zu rühren und damit er die Augen zudrücke in Bezug auf die fünfzigtausend Francs, die sie für sich behielt. Er lächelte schlau. Es paßte ihm ganz in den Kram, daß sie das Geld zum Fenster hinauswarf; diese fünfzigtausend Francs, die in Spitzen und Schmucksachen verschwendet werden sollten, mußten ihm hundert Perzent einbringen. Er trieb in seinem Entzücken über dieses erste Geschäft die Rechtlichkeit so weit, daß er die hunderttausend Francs seiner Gattin thatsächlich in Papieren anlegte und ihr die Rententitel übergab. Seine Frau konnte dieselben nicht veräußern und er war sicher, die Papiere im Neste zu finden, wenn er sie jemals benöthigen sollte.
»Dies soll für Ihre kleinen Bedürfnisse sein, meine Liebe,« sagte er galant.
Als er das Haus besaß, war er schlau genug, dasselbe innerhalb eines Monats zweimal und zwar stets unter fremden Namen wiederzuverkaufen, wobei der Verkaufspreis natürlich jedesmal immer mehr in die Höhe geschraubt wurde. Der letzte Käufer bezahlte nicht weniger als dreihunderttausend Francs. Während dieser Zeit bearbeitete Larsonneau, der als Vertreter der jeweiligen Eigenthümer fungirte, die Hausbewohner. Er weigerte sich auf's Entschiedenste, den Mietvertrag, zu erneuern, wenn sich dieselben nicht eine bedeutende Erhöhung des Miethzinses gefallen ließen. Die Miether, die von der bevorstehenden Expropriation Kenntniß hatten, waren verzweifelt und nahmen schließlich die
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