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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Steigerung an, zumal nachdem ihnen Larsonneau mit verständnißinnigem Lächeln mittheilte, daß diese Erhöhung während der nächsten fünf Jahre eine blos scheinbare sein würde. Die Miether, welche Widerstand leisteten, wurden durch Creaturen ersetzt, denen man die Wohnung umsonst gab und die dafür bezeugten und unterschrieben, was man wollte. Auf diese Weise erzielte man einen doppelten Vortheil: die Miethe wurde erhöht und die dem Miether für seinen Kontrakt zufallende Entschädigung kam Saccard zu. Frau Sicardot wollte ihrem Bruder in dem schönen Werke behilflich sein und errichtete in einem Laden des Erdgeschosses eine Klavierniederlage. Bei dieser Gelegenheit gingen Saccard und Larsonneau, von einem wahren Fieber erfaßt, ein wenig zu weit: sie legten Geschäftsbücher an und fälschten die Eintragungen, um den Verkauf der Klaviere auf eine riesige Ziffer hinaufzuschrauben. Mehrere Nächte hinter einander waren sie in dieser Weise beschäftigt und thatsächlich gelang es ihnen, den Werth des Hauses zu verdreifachen. Dank der letzten Verkaufskomödie, dank der Erhöhung der Miethpreise, der falschen Bewohner und des von Frau Sidonie betriebenen Handels, konnte das Haus vor der zur Bemessung der Entschädigungssummen berufenen Kommission auf fünfhunderttausend Francs bewerthet werden.
    Das Räderwerk der Expropriation, dieser mächtigen Maschine, die während fünfzehn Jahre in Paris das Unterste zu oberst kehrte, einzelne Menschen ungeheuer reich machte, andere wieder zu Grunde richtete, ist ein überaus einfaches. Sobald die Anlage eines neuen Straßenzuges beschlossen worden, entwirft der Wegekommissär die Eintheilung der Baustellen und schätzt die einzelnen Parzellen ab. Bei Häusern wird nach erfolgten Erkundigungen gewöhnlich die Totalsumme der Miethbeträge kapitalisirt und derart eine annähernde Werthziffer gewonnen. Die aus Mitgliedern des Gemeinderathes bestehende Kommission bietet nun stets einen Betrag, der niedriger ist als diese Ziffer, da sie wohl weiß, daß die Betheiligten mehr verlangen werden und daß man sich bei gegenseitig gemachten Zugeständnissen schließlich einigen werde. Vermag man sich nicht zu verständigen, so wird die Angelegenheit vor ein Schiedsgericht gebracht, das endgiltig über das Angebot der Stadt und die Ansprüche des Eigenthümers oder Miethers des betreffenden Hauses entscheidet.
    Saccard, der des entscheidenden Augenblicks halber noch im Dienste der Stadt geblieben, hatte für einen Moment die Frechheit, sich selbst als Mitglied der Kommission anzubieten, als die Arbeiten am Boulevard Malesherbes begannen, damit er sein Haus selbst abschätzen könne. Doch fürchtete er dadurch seinen Einfluß auf die Mitglieder der Entschädigungskommission zu verlieren und darum setzte er es durch, daß einer seiner Kollegen, ein junger Mann mit sanftem, einschmeichelndem Betragen, Namens Michelin, in die Kommission gewählt wurde. Die Gattin dieses Michelin, die von einer entzückenden Schönheit war, sprach zuweilen bei den Vorgesetzten ihres Gatten vor, um diesen zu entschuldigen, wenn er wegen Unpäßlichkeit nicht im Bureau erscheinen konnte. Er war sogar sehr häufig unpäßlich. Saccard hatte die Wahrnehmung gemacht, daß die schöne Frau Michelin, die so geräuschlos durch die halb geöffneten Thüren schlüpfte, eine wahre Großmacht sei; so oft Michelin krank war, erhielt er eine Beförderung, – er machte Karriere, indem er sich zu Bett legte. Als er wieder einmal nicht erschien und seine Frau auf das Bureau schickte, um über sein Unwohlsein zu berichten, begegnete ihm Saccard auf einem der äußeren Boulevards, wo er mit der lieblichen, zufriedenen Miene, die ihn niemals verließ, seine Zigarre rauchte. Dies flößte ihm Sympathie für diesen wackeren jungen Mann, für dieses glückliche Ehepaar ein, welches so verständig und praktisch war. Er bewunderte rückhaltslos jede »Maschine zur Herstellung von Hundertsousstücken«, sobald sie verständig gehandhabt wurde. Als er Michelin's Wahl bewerkstelligt, suchte er dessen reizende Frau auf, wollte sie Renée vorstellen und sprach zu gleicher Zeit über seinen Bruder, den Abgeordneten und berühmten Redner. Frau Michelin verstand und von diesem Tage an hatte ihr Gatte für seinen Kollegen stets ein freundliches, zuvorkommendes Lächeln. Aristide, der den würdigen jungen Mann nicht in seine Pläne einweihen wollte, begnügte sich damit, zufällig an dem Tage anwesend zu sein, da er an der Abschätzung des

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