Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Diese kleine Hand, die sich einer riesenhaften Beute bemächtigen zu wollen schien, begann sie schließlich zu beunruhigen und während dieselbe ohne jede Anstrengung die ungeheure Stadt in Stücke zerlegte, nahm sie in dem bläulichen Dämmerlichte einen seltsamen Stahlschimmer an.
    »Auch ein drittes Netz wird entstehen,« fuhr Saccard nach einer Weile gleichsam zu sich selbst sprechend fort; »doch ist dasselbe etwas entfernter, so daß ich es weniger deutlich sehe. Ich habe nur geringe Anzeichen gefunden – dies aber wird der helle Wahnsinn, ein infernalischer Galop der Millionen werden; Paris wird berauscht und zu Boden geschmettert daliegen.«
    Abermals verstummte er, wobei er die Augen fest auf die Stadt gerichtet hielt, in welcher die Nebelmassen immer dichter rollten. Er mochte wohl diese ferne Zukunft zu erforschen suchen, die er noch nicht erfassen konnte. Dazwischen wurde es immer finsterer, die Stadt bot ein immer mehr verschwommenes Bild; man hörte, wie sie tief Athem holte, gleich einem Meere, von welchem nur mehr die blassen Schaumkämme zu sehen waren. Hier und dort konnte man noch eine weißlich schimmernde Mauer unterscheiden und allmälig begannen die gelben Gasflammen die Dunkelheit zu durchbrechen, Sternen vergleichbar, die an dem mit sturmschwangeren Wolken bedeckten Himmel zum Vorschein kommen.
    Angèle schüttelte ihr Unbehagen gewaltsam ab und griff den Scherz auf, welchen ihr Gatte beim Dessert gemacht.
    »Ja,« sagte sie lächelnd; »es hat Zwanzigfrancsstücke geregnet und nun zählen die Pariser dieselben. Sieh doch die schönen Stöße, die man zu unseren Füßen aufschichtet.« Dabei deutete sie auf die Straßen, die dem Montmartre gegenüber sich hinabsenken und deren Gasflammen ihre goldgelben Flammen gleich aufgeschichteten Metallbarren erscheinen ließen.
    »Und dort unten,« rief sie aus, auf ein Geflimmer zahlloser Flammen deutend; »das ist sicherlich die Hauptkassa.«
    Saccard lachte über diese Worte. Sie blieben noch eine Weile am Fenster, ganz entzückt über dieses Niederrieseln der »Zwanzigfrancsstücke«, welches ganz Paris in Feuer zu hüllen schien. Als man sich auf den Heimweg begab, bereute Aristide, daß er so viel gesprochen. Er schrieb die Schuld dem Weine zu und bat seine Frau, über die »Dummheiten«, die er gesprochen, Schweigen zu beobachten; er wolle, sagte er, für einen ernsten Mann gehalten werden.
    Während sehr langer Zeit hatte Saccard diese drei Netze studiert, welche Straßen und Boulevards bilden sollten und deren Plan er Angèlen in einem Augenblick des Vergessens verrathen hatte. Als diese starb, war es ihm ganz recht, daß sie sein Geschwätz vom Montmartre mit ins Grab genommen. Da, in diesen famosen Furchen, die seine Hand durch den Mittelpunkt von Paris gezogen, ruhten seine Reichthümer und es lag ihm viel daran, seine Gedanken vor Niemandem zu enthüllen, da er sehr wohl wußte, daß es am Tage der Beutetheilung gar viele Raben geben werde, die über die wehrlos daliegende Stadt würden herfallen wollen. Sein erster Plan bestand darin, zu möglichst niedrigem Preise irgend eine Liegenschaft, ein Haus oder ein Grundstück anzukaufen, welches in nicht ferner Zeit der Expropriation anheimfallen würde und durch eine bedeutende Entschädigung einen beträchtlichen Nutzen zu erzielen. Er hätte vielleicht den Versuch gemacht, die Sache ohne Geld durchzuführen, das heißt die Liegenschaft auf Credit zu kaufen, um hernach blos die Differenz einzustreichen, wie man es an der Börse macht. als seine Wiedervermählung erfolgte, die ihm zweihunderttausend Francs eintrug und seine Pläne zur Reife brachte. Nun standen seine Berechnungen fest: ohne selbst zum Vorschein zu kommen, kaufte er unter dem Namen eines Vermittlers seiner Frau das Haus in der Rue de la Pepinière ab und verdreifachte seinen Einsatz dank seiner im Stadthause erworbenen Sachkenntniß und seinen guten Beziehungen zu gewissen einflußreichen Personen. Als ihm Tante Elisabeth die Straße genannt, in welcher sich das Haus befand, war er freudig erregt zusammengezuckt, weil dasselbe gerade inmitten des projektirten Straßenzuges lag, von welchem man einstweilen nur ganz insgeheim in dem Kabinet des Seinepräfekten sprach. Dieser Straßenzug, der Boulevard Malesherbes, nahm seinen Spekulationsgeist völlig gefangen. Man gedachte damit einen alten Plan Napoleons des Ersten zur Ausführung zu bringen, »um, wie die ernsten Leute sagten, den hinter einem Labyrinth enger Straßen, auf den

Weitere Kostenlose Bücher