Die Treibjagd
Hauses in der Rue de la Pepiniere theilnehmen sollte. Er kam ihm dabei zu Hilfe. Michelin, dessen Schädel hohler war, als man denken sollte, hielt sich streng an die Weisung seiner Gattin, die ihm empfohlen hatte, Herrn Saccard in allen Stücken gefällig zu sein. Im Uebrigen argwöhnte er gar nichts und war der Meinung, der Wegekommissär dränge ihn nur, die Sache raschestens abzumachen, um ihn hernach mit sich ins Kaffeehaus zu nehmen. Die Miethskontrakte, die Bestätigungen der Miether, die famosen Bücher der Frau Sidonie wurden ihm von seinem Kollegen vorgelegt und wieder abgenommen, ohne daß er gar die Richtigkeit der Zahlen prüfen konnte, welche jener mit lauter Stimme verlas, Larsonneau war auch zugegen; er behandelte seinen Komplizen natürlich, als würde er ihn gar nicht kennen.
»Sagen Sie fünfhunderttausend Francs,« schloß Saccard seinen Vortrag. »Das Haus ist bedeutend mehr werth ... Und beeilen Sie sich; ich glaube, unter dem Personal des Stadthauses bereitet sich eine große Verschiebung vor und ich möchte mit Ihnen über dieselbe sprechen, damit Sie Ihre Frau unterrichten können.«
So wurde die Angelegenheit erledigt; noch gab es aber einige Befürchtungen. Er besorgte, der Betrag von 500 000 Francs werde der Entschädigungskommission für ein Haus, welches offenkundig einen Werth von nur 200 000 Francs hatte, ein wenig übertrieben dünken. Noch waren Häuser und Grundstücke im Preise nicht so übermäßig in die Höhe getrieben worden und eine Untersuchung hätte ihn in ernstliche Unannehmlichkeiten stürzen können. Er erinnerte sich der Worte seines Bruders: »Nur keinen aufsehenerregenden Skandal, oder ich lasse Dich verschwinden«, und er wußte, daß Eugen der Mann dazu sei, um seine Drohung zu bewahrheiten. Es handelte sich also darum, den Herren von der Kommission Sand in die Augen zu streuen und sie nachsichtig und wohlwollend zu stimmen. Er richtete sein Augenmerk auf zwei einflußreiche Männer, die er sich durch die Art und Weise, wie er sie in den Korridoren grüßte, zu Freunden gemacht hatte. Die sechsunddreißig Mitglieder des Munizipalrathes wurden über Antrag des Präfekten vom Kaiser selbst sorgfältig unter jenen Senatoren, Abgeordneten, Advokaten, Aerzten und Großindustriellen ausgewählt, die sich am tiefsten vor der Macht beugten; vor Allen aber waren der Baron Gouraud und Herr Toutin-Laroche dank ihrem glühenden Eifer der Gunst der Tuilerien würdig.
Den Baron Gouraud können wir mit wenigen Strichen kennzeichnen: als Belohnung für die Lieferung verdorbenen Zwiebacks für die große Armee von Napoleon dem Ersten zum Baron ernannt, war er der Reihenfolge nach unter Ludwig XVIII., unter Karl X., unter Louis-Philippe Pair und unter Napoleon III. Senator gewesen. Er war ein bedingungsloser Verehrer des Throns, dieser mit Sammt überzogenen vergoldeten vier Bretter, unbekümmert darum, wer sich auf demselben befand. Bei seinem ungeheuren Bauch, seiner Ochsenphysiognomie und seinem ganzen elephantenartigen Auftreten war er ein bezaubernder Schuft, der sich voll Würde an den Meistbietenden verkaufte und die ärgsten Prellereien im Namen von Pflicht und Gewissen verübte. Noch größere Bewunderung erregte der Mann aber durch seine Laster. Es waren Geschichten über ihn im Umlauf, die man nur flüsternd wiedergeben konnte. Seine Ausschweifungen waren geradezu unglaublich und dabei war er trotz seiner achtundsiebenzig Jahre von erstaunlicher Rüstigkeit. Zweimal schon hatte man die schändlichsten Vorkommnisse unterdrücken müssen, bevor sie zu allgemeiner Kenntniß gelangten, damit er seinen gestickten Senatorfrack nicht vor den Geschworenen zu vertheidigen habe. Herr Toutin-Laroche war groß und mager, ehemaliger Erfinder einer zur Kerzenfabrikation sehr geeigneten Mischung aus Talg und Stearin und wünschte nichts sehnlicher, als in den Senat gewählt zu werden. Er folgte dem Baron Gouraud wie dessen Schatten und rieb sich an ihm in der unbestimmten Vorstellung, daß ihm dies Glück bringen werde. Im Uebrigen war er sehr praktisch und hätte sich ein verkäuflicher Senatorsitz gefunden, so wäre ihm kein Preis zu hoch gewesen. Das Kaiserthum sollte diese habgierige Null, dieses schwache Gehirn, welches sich nur auf industrielle Betrügereien trefflich verstand, zur Geltung bringen. Er verkaufte als Erster seinen Namen an eine verdächtige Kompagnie, an eine jener Gesellschaften, die wie Giftpilze auf dem Düngerhaufen der kaiserlichen Spekulationen gediehen.
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