Die Treibjagd
warf ihren Hut auf den weißen Burnus, den sie zum Schutze gegen die bereits empfindliche Kälte angelegt hatte, ab und erschien dem vor Bewunderung ganz bestürzten Maxime in dem vollen Glanz ihrer herrlichen Toilette.
Der Knabe meinte, sie sei verkleidet. Sie trug einen herrlichen Rock aus blauer Fayeseide mit großen Falbeln, darüber eine Art Rock der garde française aus zart grauer Seide. Die Rockschöße, mit blauer Seide gefüttert, waren galant zurückgeschlagen und durch Bänder festgehalten; die Verzierungen der Ärmel, sowie die breiten Überschläge des Leibchens waren aus demselben Zeug. Und gleichsam als Krone des Ganzen zogen sich große Knöpfe in der Farbe des Saphirs, in azurblaue Rosetten gefaßt, in zwei Reihen von den Hüften bis zum Saum hinab. Es war häßlich und anbetungswürdig zugleich.
Als Renée ihren Stiefsohn bemerkte, war sie erstaunt zu sehen, daß er beinahe ebenso groß war wie sie und wendete sich mit der Frage zu dem Diener:
»Das ist wohl der Kleine, nicht wahr?«
Das Kind verschlang sie förmlich mit den Blicken. Diese Dame mit der weißen Haut, deren Busen aus dem Spalt der gefältelten Brustkrause hervorlugte, diese plötzliche reizende Erscheinung mit der hohen Haartracht, den fein beschuhten Händen und den kleinen Männerstiefletten, deren spitzige Absätze sich in den Teppich versenkten, entzückte ihn und erschien ihm als die gute Fee dieses warmen goldschimmernden Raumes. Er begann zu lächeln und benahm sich gerade linkisch genug, um seine knabenhafte Anmut beizubehalten.
»Ach! wie drollig er ist!« rief Renée aus, »Doch wie schrecklich! man hat ihm den Kopf beinahe rasirt!... Höre mich an, mein kleiner Freund, Dein Vater wird offenbar vor dem Diner nicht nach Hause kommen und ich werde gezwungen sein, Dich unterzubringen... Ich bin Ihre Stiefmutter, mein Herr... Willst Du mir einen Kuß geben?«
»Gewiß will ich,« erwiderte Maxime rundheraus.
Und damit küßte er die junge Frau auf beide Wangen, indem er sie bei den Schultern faßte, wodurch der graue Seidenüberwurf ein wenig verschoben wurde. Lachend machte sie sich los, indem sie sagte:
»Mein Gott, wie drollig der kleine Schlingel ist!« Und etwas ernster fügte sie hinzu: »Wir werden Freunde sein, nicht wahr?... Ich will Ihnen eine Mutter sein. Ich dachte hierüber nach, während ich bei meinem Schneider wartete, der mit anderen Damen beschäftigt war und ich sagte mir, daß ich zu Ihnen sehr gut sein und Sie tadellos erziehen müsse... Das wird hübsch sein!«
Noch immer blickte Maxime sie mit seinen blauen Augen an – diesen Augen eines kühnen Mädchens – und mit einem Male fragte er:
»Wie alt sind Sie?«
»So etwas fragt man niemals!« rief sie die Hände zusammenschlagend aus. »Er weiß das aber nicht, der kleine Unglückliche! Ich werde ihn erst Alles lehren müssen... Glücklicherweise brauche ich mein Alter noch nicht zu leugnen. Ich bin einundzwanzig Jahre alt.«
»Und ich werde bald vierzehn Jahre alt sein... Sie könnten meine Schwester sein.«
Er sagte nichts weiter, doch verriet sein Blick deutlich, daß er der Meinung gewesen, die zweite Frau seines Vaters müßte bedeutend älter sein. Er stand dicht bei ihr und betrachtete ihren Hals mit solcher Beharrlichkeit, daß sie schließlich errötete. Ihr unsteter Geist wandte sich indessen alsbald einem anderen Gegenstande zu, da sie sich nicht lange mit einer Sache beschäftigen konnte, und indem sie auf- und abzuschreiten begann, sprach sie von ihrem Schneider, ohne zu beachten, daß sie ein Kind vor sich habe.
»Ich wäre bei Deiner Ankunft gerne hier gewesen; doch bedenke, daß mir Worms diese Toilette heute morgens gebracht hat... Ich probiere sie und finde sie ziemlich gelungen. Sie ist recht nett, nicht wahr?«
Damit war sie vor einen Spiegel getreten, während Maxime hinter ihr bald einige Schritte vorwärts machte, bald ein wenig zurückwich, um sie von allen Seiten betrachten zu können.
»Als ich aber das Kleid anlegte,« fuhr sie fort, »bemerkte ich, daß es hier, auf der linken Schulter eine große Falte machte; Du siehst ja selbst... Diese Falte ist sehr häßlich und gibt mir den Anschein, als hätte ich eine Schulter höher als die andere.«
Er war näher gekommen, legte den Finger auf die bezeichnete Falte, wie um dieselbe niederzudrücken und die Hand dieses dem Laster nicht mehr fremden Schülers schien mit einem gewissen Wohlbehagen auf dieser Stelle zu verweilen.
»Meiner Treu,« plauderte sie weiter;
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