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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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die Blätter seines Buches legte und in welchem er sich stundenlang betrachtete, seine Augen untersuchte, sein Mienenspiel beobachtete und allerlei kokette Künste einstudierte. Seine Kameraden hängten sich an seine Blouse wie an einen Weiberrock und dabei preßte er sich derart zusammen, daß er schlank erschien und sich gleich einer voll entwickelten Frau in den Hüften wiegen konnte. In Wahrheit aber erhielt er ebensoviel Prügel wie Schmeicheleien. Die Schule zu Plassans, eine Höhle kleiner Banditen gleich der Mehrzahl der Provinzschulen, wurde auf diese Weise ein Ort der Besudelung, wo dieses neutrale Temperament, dieses Kind, welches das Laster als Erbschaft überkommen zu haben schien, eine seltsame Entwickelung nahm. Vielleicht sollten es die Jahre bessern; doch die Spuren seiner kindlichen Verirrungen, dieser Verweichlichung seines ganzen Wesens, dieser Stunde, in welcher er sich für ein Mädchen halten konnte, sollten in ihm zurückbleiben und seine Männlichkeit für alle Zeiten beeinträchtigen.
    Renée nannte ihn »mein Fräulein«, ohne zu wissen, daß sie noch vor sechs Monaten das Richtige getroffen hätte, Sie sah, daß er sehr gehorsam, sehr liebevoll sei; ja mitunter fühlte sie sich durch seine Liebkosungen geradezu verwirrt. Er hatte eine Art, sie zu küssen, die ihr einen heißen Schauer verursachte. Was sie aber am meisten entzückte, war seine Schelmerei; er war unsagbar drollig, kühn und sprach bereits lächelnd über die Frauen, hielt sogar den Freundinen Renée's Stand: der theuren Adeline, die Herrn von Espanet geheirathet hatte und der dicken Susanne, die ganz kürzlich die Gattin des Großindustriellen Haffner geworden. Mit vierzehn Jahren war er bis über die Ohren in letztere verliebt. Er hatte seine Stiefmutter zu seiner Vertrauten gemacht und bereitete dadurch dieser viel Vergnügen.
    »Ich hätte Adeline vorgezogen, denn diese ist hübscher,« pflegte sie zu sagen.
    »Mag sein,« erwiderte der Schlingel; »doch ist Susanne bedeutend dicker... Ich liebe die schönen Frauen... Und wenn Du gut wärest, so würdest Du für mich ein Wort bei ihr einlegen.«
    Renée lachte. Ihre Puppe, dieser große Junge mit dem Mädchengesicht däuchte ihr unbezahlbar, seitdem er verliebt war. Es trat sogar ein Augenblick ein, da sich Frau Haffner ernstlich vertheidigen mußte. Im Uebrigen ermunterten die Damen Maxime durch ihr ersticktes Lachen, durch die hingeworfenen zweideutigen Worte und die koketten Geberden und Mienen, die sie vor diesem frühreifen Kinde zeigten. Ein Zug stark aristokratischer Lüsternheit war da mit im Spiel. Alle Drei, in ihrem von der Leidenschaft durchglühten, geräuschvollen Leben, machten Halt bei der reizenden Verderbtheit dieses halbwüchsigen Jungen, als wäre dieselbe ein seltenes und gefahrloses Gewürz, welches ihren Gaumen reizt. Sie ließen ihn gewähren, wenn er ihre Kleider berührte, mit den Fingern über ihre Schultern strich, sobald er ihnen in's Vorzimmer folgte, um ihnen beim Anlegen ihrer Ueberwürfe behilflich zu sein. Sie gaben ihn von Hand zu Hand und lachten wie toll, wenn er ihnen das Handgelenk an der Innenseite küßte, wo die Haut sich so zart und warm anfühlt; dann wieder gaben sie sich ein mütterliches Ansehen und lehrten ihn die Kunst, ein schöner Mann zu sein und den Damen zu gefallen. Er bildete ihr Spielzeug; er war ihnen ein Männchen mit sinnreichem Mechanismus, das küssen und den Hof machen konnte, das die liebenswürdigsten Laster hatte, das trotz alledem ein Spielzeug, ein Hampelmännchen blieb, vor dem man sich nicht zu sehr, nur gerade so weit ängstigte, daß man bei der Berührung seiner kindlichen Hand einen sehr angenehmen Schauder verspürte.
    Als Maxime neuerdings zur Schule gehen sollte, kam er auf das Bonaparte-Lyceum, Dies war das Lyceum der eleganten Welt, welches Saccard für seinen Sohn wählen mußte. Trotz seiner Weichlichkeit und Leichtfertigkeit war der Knabe hochintelligent; doch verwendete er seine Intelligenz auf ganz andere Dinge als auf klassische Studien. Dessen ungeachtet war er ein korrekter Schüler, der niemals zu den nichtsnutzigen Faulenzern herabsank, sondern sich an die gutgekleideten, kleinen Herren hielt, von denen man nichts Schlimmes sagte. Seine Jugend äußerte sich bei ihm blos in einer wahren Verehrung für die Toilette. Paris öffnete ihm die Augen und machte einen schönen jungen Mann aus ihm, dem die stets nach der neuesten Mode geschnittenen Kleider wie angegossen am Leibe saßen. Er

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