Die Treibjagd
Handschuhen zu riechen, die er in den Fauteuils, auf den Möbeln fand. Sidonie, die jeder klaren Situation mit Abscheu aus dem Wege ging und ihre Gefälligkeiten niemals eingestand, überließ ihm schließlich die Schlüssel zu ihrer Wohnung, indem sie ihm sagte, sie müsse auf's Land gehen, wo sie bis zum nächsten Tage zu bleiben gedenke. Maxime sprach von Freunden, die er nicht im Hause seines Vaters empfangen dürfe und die er gerne hierher führen möchte. Und so verbrachte er denn in dem Halbgeschoß der Rue du Faubourg-Poissonnière mehrere Nächte mit dem armen Mädchen, welches man nachher auf's Land schicken mußte. Frau Sidonie streckte ihrem Neffen Geld vor und verhätschelte den »lieben Kleinen, der noch ganz bartlos war und rosig wie ein Amor«.
Maxime war aber herangewachsen und nunmehr ein schlanker, hübscher, junger Mann, der die rosigen Wangen und blauen Augen des Kindes sich bewahrt hatte. Sein lockiges Haar trug noch dazu bei, ihm das »mädchenhafte Aussehen« zu verleihen, welches die Damen so sehr entzückte. Er sah der armen Angèle ähnlich und besaß auch ihren sanften Blick, ihre Blässe und blonden Haare, Aber er taugte nicht einmal so viel, als diese gleichmüthige, unbedeutende Frau. In ihm verfeinerte sich die Race der Rougons, wurde zarter und lasterhafter. Von einer Mutter stammend, die zu jung gewesen, als sie ihn geboren, brachte er ein merkwürdiges Gemisch des Heißhungers seines Vaters, der Hingebung und Weichheit seiner Mutter mit sich; er war ein mangelhaftes Produkt, in welchem die Fehler der Eltern sich ergänzten und noch verschlimmert erschienen. Diese Familie lebte zu rasch und erstarb bereits in diesem gebrechlichen Körper, bei welchem selbst das Geschlecht gezögert haben mußte und welcher nicht mehr den eisernen Willen, Reichthum und Genüsse anzusammeln gleich Saccard, sondern eine weichliche, kraftlose Natur darstellte, welche die angesammelten Reichthümer verzehrte; ein absonderlicher Hermaphrodit, rechtzeitig erschienen inmitten einer Gesellschaft, die in Fäulniß überzugehen begann. Wenn sich Maxime mit seinen Hüften, um die ihn eine Frau hätte beneiden können, auf seinem hübschen Pferde, in dessen Sattel er sich leicht wiegte, im Bois einfand, so repräsentirte er mit seinem frauenhaften Wuchse, seinen schlanken, weißen Händen, seiner kränklichen, verschmitzten Miene, seiner korrekten Eleganz und seinem Theater-Kauderwälsch die Gottheit dieser Epoche. Mit zwanzig Jahren war er über alle Ueberraschungen und jeden Ekel erhaben. Sicherlich hatte er von den ungewöhnlichsten Ausschweifungen geträumt. Das Laster war bei ihm kein Abgrund, wie bei gewissen Greisen, sondern eine natürliche und rein äußerliche Blüthe und saß in seinen blonden Haaren, lächelte mit seinen Lippen und stack in seinen Kleidern. Am meisten charakterisirten ihn aber seine Augen, diese zwei blauen Löcher, die hell und lächelnd an den Spiegel einer Kokette erinnerten und hinter welchen man die ganze Leere des Gehirns gewahrte. Diese Augen einer feilen Dirne senkten sich niemals zu Boden; sie suchten stets nach neuen Vergnügungen.
Der ewige Luftzug, welcher in dem Hause der Rue de Rivoli herschte und die Thüren desselben in fortwährender Bewegung erhielt, wurde immer stärker, je mehr Maxime heranwuchs, je weiter Saccard seine Operationen ausdehnte und je fieberhafter Renée nach einem unbekannten Genusse suchte. Diese drei Menschen führten in dem geräumigen Hause schließlich ein Leben, welches ebensosehr durch seine Freiheit, wie durch seine Thorheit in Erstaunen setzte. Es war die reife und merkwürdige Frucht einer ganzen Epoche. Die Straße schien in die Wohnung hinaufzusteigen, mit ihrem Wagengerassel, ihrem Getümmel von Unbekannten, ihrer Ungebundenheit der Rede. Vater, Stiefmutter und Stiefsohn thaten, sprachen und benahmen sich, als hätte sich Jeder allein befunden und ein Junggesellenleben geführt. Drei Kameraden, drei Studenten, die ein möblirtes Zimmer gemeinschaftlich bewohnen, hätten über dieses Zimmer nicht mit mehr Unbefangenheit verfügen können, um daselbst ihren Lastern, ihren geräuschvollen Vergnügungen zu fröhnen. Sie reichten sich zum Empfang die Hände, schienen die Beweggründe gar nicht zu ahnen, welche sie unter demselben Dache vereint hielten, behandelten sich gegenseitig mit heiterer Ritterlichkeit und wahrten sich dergestalt eine absolute Unabhängigkeit. Den Begriff des Familienlebens schien bei ihnen eine Art
Weitere Kostenlose Bücher