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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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im Grunde genommen, wie man einen zuvorkommenden Bankier liebt. Wenn sie sich in's Hotel Béraud begab, so rühmte sie seine vortrefflichen Eigenschaften ihrem Vater gegenüber, den der Reichthum seines Schwiegersohnes kalt und unberührt ließ. Ihre Verachtung war geschwunden; dieser Mensch – Aristide Saccard – schien so durchdrungen von der Ueberzeugung, daß das Leben nichts als ein Geschäft sei, er war so augenscheinlich dazu geboren, aus Allem Geld zu machen, was ihm unter die Hände kam: Kinder, Frauen, Pflastersteine, Gipssäcke, Gewissen, – daß sie ihm aus seiner mit größter Berechnung durchgeführten Heirath leinen Vorwurf machen konnte. Seit diesem Handelsgeschäfte betrachtete er sie gewissermaßen mit denselben Blicken, wie eines dieser schönen Häuser, die ihm zur Ehre gereichten und aus welchen er noch bedeutenden Nutzen zu ziehen hoffte. Er wollte, sie solle elegant gekleidet, bei allen Vergnügungen zugegen sein und ganz Paris den Kopf verdrehen. Dies gereichte ihm zum Vortheil und ließ sein Vermögen doppelt so groß erscheinen. Er war schön, jung, verliebt, unbesonnen durch seine Frau. Sie war seine Verbündete, seine Mitschuldige, ohne es zu wissen. Ein neues Paar Pferde, eine Toilette für zweitausend Thaler, ein liebenswürdiges Benehmen irgend einem Liebhaber gegenüber erleichterte, ja entschied mitunter sogar seine einträglichsten Geschäfte. Häufig schickte er sie auch unter dem Vorwande, sich vollkommen erschöpft zu fühlen, zu einem Minister, zu einem Funktionär, um eine Konzession zu erwirken oder einen Bescheid zu erhalten. Bei solchen Gelegenheiten sagte er ihr: »Sei vernünftig!« und das in einem zugleich spöttischen und schmeichelndem Tone, den nur er eigen hatte. Und wenn sie zurückkehrte und den gewünschten Erfolg erzielt hatte, so rieb er sich die Hände, indem er sein famoses: »Warst Du auch vernünftig?« wiederholte. Renée lachte. Er war zu thätig, um sich eine Frau Michelin zu wünschen; nur liebte er es, einen derben Scherz zu machen, schlüpfrige Hypothesen aufzustellen. Wenn Renée übrigens »nicht vernünftig gewesen wäre«, so hätte er keinen anderen Verdruß als den empfunden, die Gefälligkeit des Ministers oder des Funktionärs thatsächlich bezahlt haben zu müssen. Die Leute bethören, ihnen weniger geben, als sie für ihr Geld beanspruchen konnten, war sein Prinzip. Häufig konnte man ihn sagen hören: »Wenn ich eine Frau wäre, würde ich mich vielleicht verkaufen, die Waare aber niemals liefern; das wäre ja zu dumm!«
    Die tolle, unberechenbare Renée, die eines Nachts am Pariser Himmel erschienen war, gleich der excentrischen Fee der weltlichen Genüsse, war eine sich jeglicher Analyse entziehende Frau. Wäre sie im Elternhause erzogen worden, so hätte sie gewiß durch die Religion oder irgend eine andere Beruhigung der Nerven den Stachel der Begierden abgestumpft. Ihr Kopf war gut spießbürgerlich veranlagt; sie besaß eine absolute Ehrbarkeit, eine Vorliebe für logische Dinge, eine tiefsitzende Furcht vor dem Himmel und der Hölle, eine Menge Vorurtheile; sie war ihrem Vater nachgerathen, dieser ruhigen, vorsichtigen Race, welche alle häuslichen Tugenden besaß. Und dessenungeachtet keimten und gediehen in dieser Natur die erstaunlichsten Phantasiegebilde, die unablässig neu erstehenden Begierden und Wünsche, die sie sich selbst nicht zu gestehen wagte. Bei den Damen in dem Kloster zur Heimsuchung Mariä war ihr Geist unter den mystischen Freuden der Kapelle und den sinnlichen Neigungen ihrer kleinen Freundinen umhergeirrt und so hatte sie sich selbst da eine phantastische Erziehung gegeben, das Laster kennen gelernt, hierbei ihrer ungeberdigen Natur keinerlei Zwang angethan und ihr junges Gehirn derart aus dem Geleise gebracht, daß sie eines Tages ihren Beichtvater nicht wenig in Verlegenheit brachte, indem sie ihm beichtete, daß sie während der Messe ein unbezwingliches Verlangen empfunden hatte, sich von ihrem Platz zu erheben und ihn zu küssen. Dann aber schlug sie sich die Brust und erbleichte bei dem Gedanken an den Teufel und seine Pechpfannen. Der Fehltritt, welcher späterhin ihre Verbindung mit Saccard nach sich zog, diese Vergewaltigung, welche sie mit einer Art erschrockener Erwartung über sich hatte ergehen lassen, erfüllte sie nachher mit einer gewissen Selbstverachtung, die bedeutsam zu dem Sichgehenlassen ihres ferneren Lebens beitrug. Sie dachte, es nütze doch nichts, gegen das Böse anzukämpfen,

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