Die Treibjagd
Gesellschaftshandlung zu vertreten, in welcher die Einkünfte zu gleichen Theilen vertheilt werden; - Jeder nahm seinen Antheil an Vergnügungen und Geldvorrat entgegen und man war stillschweigend darin übereingekommen, daß Jeder seinen Antheil nach seinem Belieben verzehren werde. Es kam so weit, daß die drei Personen sich gegenseitig ganz rückhaltslos über ihre Abenteuer und Zerstreuungen berichteten, ohne beim Andern mehr als etwas Neid oder Neugierde zu erregen.
Jetzt unterrichtete bereits Maxime seine Stiefmutter. Wenn er sich mit ihr in's Bois begab, erzählte er ihr von den Kokotten allerlei Geschichten, die Beide sehr erheiterten. Kein neues Gesicht konnte zum Vorschein kommen, ohne daß er darnach getrachtet hätte, den Namen des Liebhabers der Betreffenden zu erfahren; er mußte wissen, welchen Monatgehalt sie von demselben bezog und wie sie ihr Leben einrichtete. Er kannte diese Damen genau, wußte intime Details zu erzählen; er war ein lebender Katalog, in welchem alle Dirnen von Paris angeführt und mit ausführlichen orientirenden Daten versehen waren. Diese Art Skandalzeitung bereitete Renée einen hohen Genuß, Wenn sie in Longchamp bei den Renée erschien, hörte sie, während sie mit der stolzen, unnahbaren Miene der vornehmen Frau in den seidenen Kissen ihres Wagens lag, mit einer wahren Gier ihrem Stiefsohne zu, der ihr erzählte, wie Blanche Müller ihren Gesandschaftsattaché mit ihrem Friseur hintergehe, oder wie der kleine Baron den Grafen in Unterhosen in dem Alkoven einer mageren Berühmtheit angetroffen habe, die man ihrer rothen Haare wegen den »gesottenen Krebs« nannte. Jeden Tag gab es etwas Neues und wenn die Geschichte zu arg war, so dämpfte Maxime die Stimme, erzählte aber getreulich bis zu Ende. Renée machte große Augen, wie ein Kind, dem man eine ergötzliche Fabel erzählt, unterdrückte ihr Lachen und verbarg es dann hinter dem spitzenbesetzten Taschentuch, welches sie anmuthig an ihre Lippen hielt,
Maxime brachte auch die Photographieen dieser Damen mit sich. In jeder Tasche, ja sogar in seinem Zigarrenetui hatte er Bilder von Schauspielerinen. Zuweilen, wenn er sich derselben entledigen wollte, steckte er die Bilder in die Albums, die im Salon auf den Tischen umherlagen und bereits die Porträts der Freundinen Renèe's enthielten. In den Albums befanden sich auch Photographieen von Männern; die der Herren von Rozan, Simpson, von Chibray, von Mussy, gleichwie von Schauspielern, Schriftstellern, Abgeordneten, die auf räthselhafte Weise hinzugekommen waren, um die Sammlung zu vergrößern. Eine merkwürdig gemischte Welt, ein Abbild des Wirrsals von Ideen und Personen, die das Leben Renée's und Maxime's bewegten. Wenn es regnete, wenn man Langeweile hatte, bot dieses Album reichlichen Stoff zur Unterhaltung und immer wieder gerieth es Einem unter die Hände. Gähnend öffnete die junge Frau dasselbe, zum hundertsten Male vielleicht. Dann wurde die Neugierde rege und der junge Mann trat hinter sie, um über ihre Schultern hinweg gleichfalls in das Album zu blicken. Dann wurden eifrige Debatten geführt, die bald den Haaren des »gesottenen Krebses«, dem doppelten Kinn der Frau von Meinhold, den Augen der Frau von Lauwerens, bald dem Busen der Blanche Müller, der etwas schiefen Nase der Marquise oder dem Munde der kleinen Sylvia galten, der von seinen starken Lippen her berühmt war. Sie verglichen all' diese Frauen unter und mit einander.
»Wenn ich ein Mann wäre,« sagte Renée, »so würde ich Adeline wählen.«
»Weil Du Sylvia nicht kennst,« erwiderte Maxime »Sie ist zu drollig! ... Mir ist Sylvia lieber.«
Damit wurde weiter geblättert und wenn dann die Bildnisse des Herzogs von Rozan, des Herrn Simpson oder des Grafen von Chibray zum Vorschein kamen, so fügte der junge Mann spöttisch hinzu:
»Uebrigens ist es eine ausgemachte Sache, daß Du einen schlechten Geschmack hast... Kann man sich etwas Dümmeres vorstellen, als die Gesichter dieser Herren? Rozan und Chibray sehen meinem Friseur Gustave ähnlich.«
Renée zuckte mit den Achseln, gleichsam um anzudeuten, daß diese Ironie sie unberührt lasse. Sie fuhr fort, die verschiedenen, bald lächelnden, bald unfreundlichen Gesichter zu betrachten, welche das Album enthielt; besonders lange hielt sie sich bei den Bildern der Mädchen auf, um neugierig die geringsten Details der Photographieen, die Falten und Härchen zu besichtigen. Eines Tages ließ sie sich sogar ein starkes Vergrößerungsglas
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