Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
an Ort und Stelle. Sie begann hin- und herzugehen, denn der Blick, mit welchem Charles sie betrachtete, war ihr lästig. Der Mann hatte eine Art, die Augen zuzudrücken und die Brauen zusammenzuziehen, um sie zu sehen, die ganz deutlich besagte: »Das ist Eine, die ich noch nicht kenne.«
    »Was soll ich auftragen, mein Herr?« fragte er laut.
    Maxime wendete sich zu Renée und sagte:
    »Das Souper des Herrn von Saffré, nicht wahr? Austern, kaltes Rebhuhn ...«
    Und da Charles den jungen Mann lächeln sah, lächelte auch er ein wenig, indem er leise sagte:
    »Das Souper vom Mittwoch also, wenn Sie wünschen?«
    »Das Souper vom Mittwoch ...« wiederholte Maxime, um, sich besinnend, hernach hinzuzufügen:
    »Ja, mir ist's gleich; geben Sie uns das Souper vom Mittwoch.«
    Als der Kellner hinaus gegangen war, nahm Renée ihren Stecher hervor und blickte neugierig in dem kleinen Salon umher. Es war das ein viereckiger, in Weiß und Gold gehaltener Raum mit der koketten Einrichtung eines Boudoirs. Außer dem Tische und den Stühlen war ein niedriges Möbelstück, eine Art Konsole vorhanden, auf welchem die abgeräumten Schüsseln niedergesetzt wurden, des Ferneren ein breiter Divan, ein wirkliches Bett, welcher zwischen dem Kamin und dem Fenster stand. Auf der weißen Marmorplatte des Kamins sah man eine Stutzuhr und zwei Armleuchter im Stile Ludwigs XVI. Das vornehmste Stück des Kabinets bildete aber der Spiegel, ein schöner geschliffener Spiegel, welchen die Diamanten der Damen mit Namen, Daten, verstümmelten Versen, absonderlichen Gedankensplittern und erstaunlichen Geständnissen bedeckt hatten. Renée glaubte etwas Unsauberes zu erblicken und wagte ihre Neugierde nicht zu befriedigen. Sie betrachtete den Divan, empfand ein neuerliches Unbehagen und begann, um sich ein wenig zu fassen, die Zimmerdecke und den von derselben herabhängenden fünfarmigen Kronleuchter aus vergoldetem Messing zu mustern. Die Befangenheit aber, die sie empfand, war köstlich. Während sie mit ernster Miene und den Stecher in der Hand haltend, den Kopf in die Höhe richtete, wie um das Gesims zu betrachten, ergötzte sie sich von ganzer Seele an diesem zweideutigen Mobilar, welches sie um sich her fühlte; an diesem klaren, cynischen Spiegel, dessen reine Fläche, welche die unfläthigen Kritzeleien von schönen Händen kaum getrübt, dazu gedient hatte, so viele falsche Haartouren zurechtzurücken; an diesem Divan, dessen Breite sie erröthen machte; an dem Tische, ja sogar an dem Teppich, von welchem derselbe Geruch wie auf der Treppe, ein durchdringender, schier kirchlicher Staubgeruch ausging.
    Und als sie denn doch endlich die Augen niederschlagen mußte, wandte sie sich mit der Frage zu Maxime:
    »Was ist's denn mit diesem Souper vom Mittwoch?«
    »Nichts,« erwiderte er; »eine Wette, die einer meiner Freunde verloren hat.«
    An jedem anderen Ort hätte er ihr ohne Zögern gestanden, daß er am Mittwoch mit einer Dame soupirt habe, der er auf dem Boulevard begegnet war. Doch seitdem er den Fuß in dieses Gemach gesetzt, behandelte er sie instinktiv als eine Frau, der man gefallen und deren Eifersucht geschont werden müsse. Sie fragte nicht weiter, sondern lehnte sich zum Fenster hinaus und er that ein Gleiches. Hinter ihnen kam und ging Charles herein und hinaus, leise mit dem Geschirr und Silberzeug klappernd.
    Es war noch nicht Mitternacht. Unten, auf dem Boulevard bewegte sich Paris, den warmen Tag möglichst lange genießend, ehe es zu Bett zu gehen sich entschloß. Die Baumreihen bezeichneten in unregelmäßiger Linie das weiße Trottoir und den schwarzen Fahrweg, auf welchem die blitzenden Wagenlaternen rasch dahinglitten. Zu beiden Seiten dieses dunklen Bandes befanden sich die Kioske der Zeitungsverkäufer, in ihrem flimmernden Glanze venetianischen Laternen vergleichbar, die man behufs irgend einer großartigen Illumination in regelmäßigen Zwischenräumen zur Erde gesetzt hatte. Zu dieser Stunde verschwand der gedämpfte Schein derselben vor den blendenden Lichtstrahlen der benachbarten Schaufenster. Kein einziger Laden war geschlossen; die Trottoirs zogen sich in hellem Lichte ohne jeden Schatten dahin und schienen wie von einem goldenen Regen bedeckt. Maxime zeigte Renée das ihnen gegenüberliegende Café Anglais, dessen Fenster hell erleuchtet waren. Die hohen Baumzweige behinderten ein wenig den freien Ausblick und ließen die Häuser und das Trottoir der anderen Seite nicht ganz klar unterscheiden, so daß sie

Weitere Kostenlose Bücher