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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Müller weit offen ließ, die bei ihren Empfängen die Gäste bis in ihr Schlafzimmer kommen ließ, wo das Bett zur Seite geschoben wurde, um für die Spieltische Raum zu schaffen. Das Gemach befriedigte sie aber nicht; es erschien ihr zu gewöhnlich und sogar ein wenig schmutzig, mit seinem Teppich, welchen weggeworfene Zigarrenenden mit kleinen Brandflecken bedeckt hatten, und seinen blauen Seidentapeten, die durch Pommade und Seifenschaum verunreinigt waren. Als sie dann Alles genau besichtigt und die kleinsten Einzelheiten der Wohnung ihrem Gedächtniß eingeprägt hatte, um sie daheim ihren Freundinen beschreiben zu können, ging sie zu den Personen über. Die Herren kannte sie; es waren zum größten Theil dieselben Finanzmänner, dieselben Politiker und dieselben jungen Lebemänner, die sich an ihren Donnerstagen bei ihr einfanden. Sie glaubte sich zuweilen in ihren Salon versetzt, wenn sie vor einer Gruppe schwarzer Fräcke stand, die Tags vorher bei ihr dasselbe Lächeln gezeigt, als sie mit der Marquise von Espanet oder der blonden Frau Haffner plauderten. Und wenn sie die Damen anblickte, schwand die Illusion auch nicht ganz. Laura d'Aurigny war in Gelb gekleidet wie Susanne Haffner und Blanche Müller trug gleich Adeline d'Espanet ein bis in die Mitte des Rückens ausgeschnittenes Kleid aus weißer Seide. Endlich bat Maxime um Entschuldigung und sie ließ sich mit ihm auf einem Divan nieder. Hier verweilten sie einen Augenblick, während der junge Mann gähnte und Renée ihn nach den Namen der Damen befragte, die sie mit den Augen zu entkleiden schien und dabei die Spitzen, die sie um ihre Röcke genäht hatten, meterweise abschätzte. Als er sie in dieses ernste Studium vertieft sah, entschlüpfte er ihr unbemerkt, um einem Winke zu folgen, welchen ihm Laura d'Aurigny mit der Hand gemacht hatte. Sie neckte ihn mit der Dame, die er am Arm führte und nahm ihm dann das Versprechen, ab, daß er sich ihnen gegen ein Uhr Morgens im Café Anglais anschließen werde.
    »Dein Vater wird auch mit dabei sein,« rief sie ihm nach, als er zu Renée zurückkehrte.
    Letztere war von einer Gruppe laut lachender Frauen umringt, während Herr von Saffré den von Maxime verlassenen Platz eingenommen hatte und sich dicht an sie drängend, ihr derbe Schmeicheleien zuraunte. Dann hatten Alle zu lachen und sich auf die Schenkel zu schlagen angefangen, so daß Renée, der die Sache unheimlich zu werden begann, sich erhob und gleichfalls gähnend zu ihrem Begleiter sagte:
    »Gehen wir; die Leute sind zu einfältig.«
    Als sie hinausschritten, kam Herr von Mussy herein. Er schien sehr erfreut, Maxime zu begegnen und ohne auf die vermummte Dame zu achten, die jener am Arm führte, flüsterte er ihm schmachtenden Tones zu:
    »Ach, mein Freund, Renée wird schuld sein, wenn ich einen Selbstmord begehe. Ich weiß, daß es ihr besser geht und doch will sie mich nicht vorlassen. Sagen Sie ihr, Sie hätten Thränen in meinen Augen gesehen.«
    »Seien Sie unbesorgt, Ihr Auftrag soll ausgeführt werden,« erwiderte der junge Mann mit einem eigenthümlichen Lachen.
    Auf der Treppe wandte er sich mit den Worten zu Renée:
    »Nun, Stiefmama, Du empfindest kein Mitleid mit dem armen Jungen?«
    Sie zuckte mit den Schultern, ohne eine Antwort zu geben. Auf der Straße angelangt, blieb sie stehen, bevor sie in den Fiaker stieg, der auf sie gewartet und blickte zögernd nach rechts und links. Es war kaum halb zwölf Uhr und reges Leben herrschte noch auf den Boulevards.
    »Wir fahren also nach Hause?« fragte sie bedauernd.
    »Ja, sofern wir nicht noch eine Rundfahrt über die Boulevards antreten wollen,« erwiderte Maxime.
    Sie willigte ein. Ihre Neugierde hatte keine volle Befriedigung erfahren und es ärgerte sie, daß sie um eine Illusion ärmer und mit beginnendem Kopfschmerz heimkehren sollte. Lange Zeit hindurch war sie der Ansicht gewesen, ein von Schauspielerinen veranstalteter Ball müsse die kurzweiligste Sache von der Welt sein. Wie es mitunter der Fall ist, hatten die letzten Tage des Oktober einen neuen Frühling in's Land gebracht; die Nacht war lau wie im Mai und der kältere Lufthauch, welcher sich von Zeit zu Zeit fühlbar machte, wirkte nur anregend. Schweigend blickte Renée zum Fenster hinaus auf die wogende Menschenmenge, auf die Kaffeehäuser und Restaurants, die an ihr vorüberglitten. Sie war in eine ganz ernste Stimmung gerathen und in das unbestimmte Sinnen verloren, welches unausgesprochene Wünsche in den Frauen

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