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Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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abgeben.«
    Ihre dreißig Jahre verjüngten sich bei diesem Abenteuer. Sie bewegte sich hastig; sie schien fieberhaft erregt und dieses Kabinet, dieses Alleinsein mit einem jungen Manne regten sie an, gaben ihr das Aussehen eines Mädchens. Entschlossen machte sie sich an die Austern. Maxime selbst hatte keinen Hunger und sah lächelnd zu, wie sie mit gutem Appetit speiste.
    »Alle Wetter!« bemerkte er. »Du hättest eine treffliche Soupeuse abgegeben.«
    Aergerlich darüber, daß sie so rasch aß, hielt sie inne.
    »Du findest, daß ich Hunger habe? Was soll ich thun? Dieser einfältige Ball hat mich hungrig gemacht... Ach, mein armer Freund, ich bedaure Dich, da Du in diesen Kreisen lebst.«
    »Du weißt,« erwiderte er, »daß ich Dir versprochen habe, von Sylvia und Laura d'Aurigny abzulassen, sobald Deine Freundinen einwilligen, mit mir zum Souper zu gehen«
    Sie machte eine köstliche Geberde.
    »Das will ich gerne glauben! ... Wir sind etwas amüsanter als diese Damen, gestehe es... Wenn Eine von uns einen Liebhaber derart langweilen würde, wie Deine Sylvia und Deine Laura b'Aurigny Euch langweilen, würde die arme kleine Frau ihres Liebhabers keinen Augenblick sicher sein! ... Du willst mir aber nie glauben. Versuche es doch einmal.«
    Um den Kellner nicht rufen zu müssen, stand Maxime auf, räumte die Austernschalen fort und trug das auf der Konsole bereit stehende Rebhuhn auf. Der Tisch war mit dem Luxus der großen Restaurants gedeckt. Ueber das Damasttafeltuch strich ein allerliebster Hauch der Ausschweifung hin und Renée's feine Hände langten mit einem gewissen Frösteln des Behagens nach Messer, Gabel und Trinkglas. Sie trank ungewässerten weißen Wein, während sie sonst kaum einige Tropfen Rothwein in ihr Wasser gab. Die Serviette über den Arm gelegt, bediente Maxime sie mit komischer Zuvorkommenheit und sagte:
    »Was mochte Dir Herr von Saffré wohl gesagt haben, daß Du so zornig wurdest? Sagte er vielleicht, daß Du häßlich seiest?«
    »Ach, Der!« gab sie zur Antwort; »er ist ein scheußlicher Mensch. Niemals hätte ich gedacht, daß ein gebildeter Mann, der sich in meinem Hause so tadellos benimmt, eine derartige Sprache führen könne. Ihm verzeihe ich aber. Mich haben nur die Frauen in Harnisch gebracht. Man hätte sie wirklich für Marktweiber halten können. Da war Eine, die über einen Schmerz in der Hüfte klagte, und es hätte, glaube ich, nicht viel gefehlt, so würde sie ihre Röcke aufgehoben haben, um Jedermann von ihrem Leiden zu überzeugen.«
    Maxime lachte herzlich.
    »Nein, wahrhaftig,« fuhr sie sich ereifernd fort; »ich verstehe Euch nicht, denn Alle sind sie blöd und unfläthig... Und da war ich so kurzsichtig zu meinen, so oft ich Dich zu Deiner Sylvia gehen sah, es würde antike Festlichkeiten geben wie man solche auf Gemälden dargestellt sieht, Weiber mit Rosen bekränzt, goldene Becher, ungewöhnliche Genüsse... Ach, ja! Du zeigtest mir ein unsauberes Ankleidekabinet und Frauenzimmer, die wie Lastträger fluchten. Da verlohnt es sich doch wahrlich der Mühe, schlecht zu sein.«
    Er wollte widersprechen, sie aber gebot ihm Schweigen und einen Knochen des Rebhuhns, welchen sie sorgfältig abnagte, zierlich zwischen den Fingern haltend, fügte sie leiseren Tones hinzu:
    »Das Schlechte, mein Lieber, müßte etwas Köstliches sein... Wenn ich, die ich eine rechtschaffene Frau bin, Langeweile habe und das Verbrechen begehe, unmögliche Dinge zu träumen, so bin ich sicher, bedeutend hübschere Dinge zu ersinnen, als die Blanche Müller mit all' ihren Genossinen.«
    Und mit ernster Miene schloß sie mit dem naiv-cynischen Worte:
    »Das ist Sache der Erziehung, weißt Du?«
    Damit legte sie den kleinen Knochen in ihren Teller. Das dumpfe Rollen der Wagen dauerte fort, ohne daß ein lauterer Ton vernehmbar geworden wäre. Sie war genöthigt, die Stimme zu erheben, um sich verständlich zu machen und die Röthe ihrer Wangen nahm zu. Auf der Konsole befanden sich noch Trüffeln, eine süße Speise und Spargel, eine Seltenheit in dieser Jahreszeit. Er brachte Alles auf einmal herbei, um sich weiterhin nicht mehr bemühen zu müssen und da der Tisch etwas schmal war, so stellte er zwischen sie und sich einen mit Eis gefüllten silbernen Kübel, in welchem sich eine Flasche Champagner befand, auf die Erde. Der Appetit regte sich schließlich auch bei ihm. Sie genossen von jeder Schüssel, leerten unter zunehmender Heiterkeit die Champagnerflasche, ergingen sich in

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