Die Treppe im See: Mystery-Thriller (German Edition)
Alibis hervor, und man kann niemanden nur aufgrund bestimmter Ungereimtheiten hinter Gitter stecken. Ich griff zum Telefon und hämmerte Earls Nummer in die Tasten. Ein paarmal klingelte es, bis er sich schlaftrunken mit rauer Stimme meldete.
»Sorry, wenn ich Sie geweckt habe«, sagte ich. »Travis hier.«
»Schießen Sie los«, grummelte er. »Wie lief es bei Althea?«
»Sie ist eine herzensgute alte Frau, die einen qualvollen Tod stirbt. Ich bemitleide sie schrecklich.«
»Was wusste sie über die Dentmans zu erzählen?«
Ich unterbreitete ihm die Geschichte von Elijahs ominöser zweitägiger Erkrankung und der Erklärung des Jungen, er sei während jener Zeit »weggegangen«. Außerdem bekam Earl die Sache mit den toten Tieren zu hören, die der Junge gesammelt hatte, und dass sein Onkel deswegen aus der Haut gefahren sei. »Wie heftig sein Gefühlsausbruch war«, hängte ich an, »ist die Eine-Million-Dollar-Frage.«
»Haben Sie Ihre Theorie geschildert? Dass David den Kleinen ermordet hat?« Da war eine jugendliche Ausgelassenheit, die durch die Stimme des alten Mannes lief.
»Fest steht nach meinem Gespräch mit Althea nur, dass die Dentmans eine schräge Familie waren. Sie wusste auch nichts Definitives.«
»Stecken wir in einer Sackgasse fest?«
Meine Augen ruhten nach wie vor auf den Fotos am Kühlschrank. »Nicht ganz. Eine Bitte hätte ich an Sie, und ich will ehrlich sein, ich fühle mich wie der letzte Arsch, Sie so etwas zu fragen.«
»Unsinn.«
»Ich will bloß nicht, dass Sie sich Ärger einhandeln.«
»Ich bin ein großer Junge. Weshalb weihen Sie mich nicht einfach in Ihren kleinen Plan ein und lassen mich dann entscheiden, wie viel Ärger ich ernten könnte?«
Ich rückte mit meinem Plan heraus. »Verwenden Sie einen anderen Namen«, riet ich ihm zuletzt. »Falls Ihnen spontan keiner einfällt, geben Sie ihnen meinen. Sie dürfen nicht mit hineingezogen werden.«
»Himmel«, raunte er und ließ einen Pfiff folgen. »Sie können höllisch raffiniert sein, wenn Sie wollen, Junge, ist es nicht so?«
»Ich erhoffe mir nicht sonderlich viel davon. Wirklich, ich bin mir nicht einmal sicher, was Sie vorfinden werden oder was ich damit beweisen kann. Erst muss ich es mit eigenen Augen sehen.«
»Ich werde mich gleich morgen früh darum kümmern«, versprach Earl. Im Hintergrund hörte ich eines seiner Tiere winseln. Ich rief mir den monströsen Wolfshund wieder vor Augen, der die Anrichte in Earls winzigem Wohnmobil bewachte.
»Seien Sie einfach vorsichtig«, bat ich und legte auf.
Gegen acht Uhr machte ich mir ein Erdnussbuttersandwich mit Marmelade und eine Tasse Kaffee. Damit und mit den Fotos vom Unglücksort zog ich mich wieder in den Keller zurück.
Ich übersehe etwas.
Etwas Wichtiges.
Unten herrschte kohlrabenschwarze Finsternis, so undurchlässig wie geteertes Papier. Die Glühbirne an der Decke hatte den Geist ganz aufgegeben, aber Ersatz konnte ich nicht finden, also stöberte ich eine Taschenlampe auf und leuchtete in Elijahs verborgenes Zimmer. Jemand hatte auf dem Schreibtisch eine Treppe aus seinen Holzklötzen aufgebaut. Ich starrte darauf, wobei ich die Tasse in einer Hand hielt und den Lichtkegel mit der anderen darauf richtete; die Bilder klemmten unter einem Arm, und der Kaffee brannte mit jedem Schluck bis in meine Zehenspitzen. Das Tolle am Kaffee ist , dachte ich, dass er einem beisteht, komme, was da wolle.
Ich setzte mich an Elijahs Schreibtisch und schaltete mit einem Klick die kleine Lampe in der Ecke ein. Eine Zeit lang besah ich die Fotos auf dem Schoß und trank. Die Klötze ignorierte ich solange wie möglich, dann fing ich an, sie wie beim Mikado einen nach dem anderen wegzuziehen, bis dem Gebilde nichts mehr von seinem ursprünglichen Aussehen und Zweck anhaftete. So wurde es gleichsam zu Nonsens. Vor meinen Augen.
Ich schob eines meiner Notizbücher vor, schlug eine leere Seite auf und fing zu schreiben an. Blut tropfte aus meinem Mund auf das Blatt und mein Shirt. Als ich meine Lippen anfasste, verschmierte es meine Finger. Da wurde mir bewusst, dass ich auf dem Stift gekaut und nicht mitbekommen hatte, dass Splitter in meiner Unterlippe stecken geblieben waren. Hatte ich welche verschluckt, ohne es zu bemerken? Ich stellte mir vor, wie eine Suppe aus Holzspänen in meiner aufgerührten Magensäure brodelte.
Ich fasste das Foto des Sees ins Auge, schwenke hinüber zu der Seite, auf der meine Handschrift wie Wellen auf- und abging, und wieder
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