Die Treue des Highlanders (German Edition)
Tür aufgerissen hatte. In der Öffnung sah sie einen riesigen Schatten, der den ganzen Rahmen ausfüllte. Es war offenbar ein Mann, ein recht großer und breitschultriger Mann sogar. Der nächste Blitz bescherte Anna einen Blick auf sein Gesicht, was sie keineswegs beruhigte! Kurz sah sie eine wilde Mähne, einen struppigen Bart und funkelnde Augen. Anna keuchte und drückte sich mit dem Rücken an die Wand. Obwohl das nächste Dorf keine fünf Meilen entfernt sein musste, fühlte sie sich hier einsamer als auf dem Mond. Das allein war schon schlimm genug, aber sie hätte nie damit gerechnet, einem anderen Menschen zu begegnen. Was, wenn dieser Mann kein Wanderer war, der Unterschlupf vor dem Unwetter suchte, sondern ein Frauenschänder oder vielleicht sogar Mörder?
»Bitte, tun Sie mir nichts!«, flüsterte Anna ängstlich.
Der Fremde trat ein und schlug die Tür hinter sich zu. Anna fühlte sich wie eine Gefangene.
»Ich wusste nicht, dass jemand hier ist.«
Seine Stimme war tief und geprägt von der kehligen Lautfärbung, die jedem Schotten eigen ist. Gleichzeitig fiel Anna in den wenigen Worten auf, dass er einen Dialekt sprach, den sie hier noch nicht gehört hatte. Wahrscheinlich kam der Fremde aus einer anderen Gegend Schottlands, aus dem Norden oder von einer der Hebrideninseln.
»Mein ... Wagen ... ich habe eine Panne ...«, stotterte Anna und tastete nach ihrer Handtasche. Wenn es nötig sein sollte, dann waren Damenhandtaschen eine wirkungsvolle Waffe. Vielleicht würde es ihr auch gelingen, an die Nagelschere in ihrem Schminktäschchen zu kommen? Die Schere war zwar klein, aber spitz.
»Dann sucht Ihr auch Schutz vor dem Unwetter? Scheußliches Gewitter, nicht wahr? Warum habt Ihr kein Feuer gemacht, damit wir unsere Kleidung trocknen können?«
Die seltsame Ausdrucksweise des Fremden verwirrte Anna. »Feuer? Womit denn? Ich sehe hier nirgends Streichhölzer oder ein Feuerzeug.«
»Ja, habt Ihr denn keinen Feuerstein?« Der Fremde tappte zum Kamin, und Anna erkannte an seinen Umrissen, wie er unter seinem mächtigen Umhang in einer Tasche kramte und etwas hervorholte. »Gut, dass ich den Feuerstein in ein Wachstuch eingeschlagen habe, so ist er trocken geblieben.«
»Dann sind Sie auch von dem Gewitter überrascht worden?«, wagte Anna zu fragen. Langsam löste sich ihre Anspannung. Es schien sich tatsächlich nur um einen harmlosen Wandersmann zu handeln, der ebenso wie sie in der Hütte Zuflucht gesucht hatte.
Anna hörte ein klickendes Geräusch und sah kleine Funken unter den Händen des Mannes aufleuchten. Fünf-, sechsmal, dann loderte eine Flamme an einem Holzspan, und der Mann legte den Span in die Feuerstelle. Vorsichtig blies er das Feuer an, und die Flamme sprang auf einen Holzscheit über. Fasziniert hatte Anna zugesehen. »Wow, wo haben Sie das gelernt? Waren Sie bei den Pfadfindern?«, fragte sie interessiert.
»Pfadfinder? Ihr habt seltsame Worte. Ich finde meinen Weg immer, schließlich bin ich hier zu Hause. Wie soll ich Euch eigentlich ansprechen?«
Anna fand es reichlich unverschämt, dass er sie nach ihrem Namen fragte, ohne sich selbst vorzustellen. »Es wäre höflicher, wenn Sie zuerst verrieten, wie Sie heißen«, gab sie recht bissig zurück.
Im Schein der hochlodernden Flammen sah Anna, wie er die Stirn runzelte. Dabei fiel ihr auf, dass der Umhang aus kariertem Stoff und einem schottischen Plaid recht ähnlich war. Auch trug der Mann keine Hosen, sondern hatte sich ein ähnliches Plaid um die Hüften geschlungen, und seine Unterschenkel waren nackt. Die Füße steckten in seltsamen Schlupfschuhen, wie Anna sie nie zuvor gesehen hatte.
Er musterte sie ebenfalls von oben bis unten, aber recht unverschämt, wie Anna fand, und in ihr regte sich wieder Angst. Sie war schließlich mit diesem bulligen Kerl ganz allein und würde rein körperlich gar nichts gegen ihn ausrichten können.
»Ihr seid offenbar nicht aus der Gegend, sonst würdet Ihr mich kennen. Auch verrät Eure Sprache, dass Ihr keine Schottin seid.«
»Mein Name ist Anna Wheeler, und ich komme aus London«, gab Anna bereitwillig Auskunft. Es war sicher besser, mit dem Fremden eine normale Unterhaltung zu führen.
»Lady Anna oder Mistress?«
Anna lächelte über die altertümliche Ausdrucksweise, aber sie hatte bereits festgestellt, dass die Einwohner in den Highlands ihrer Zeit oft Jahrzehnte hinterherhinkten.
»Mistress, wenn Sie es so ausdrücken möchten.«
»Und wie kommt eine unverheiratete Frau aus England
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