Die Treue Des Highlanders
befand.
»Halten Sie den Mund!«, zischte Anna. »In unserer Zeit kleiden sich alle Mädchen so ... offenherzig.«
»Warum? Ich finde es schon schlimm genug, dass die meisten Frauen Hosen tragen, besonders wenn sie so eng sind wie Eure, aber muss man denn so viel Haut zeigen? In meiner Zeit blieben solche Einblicke dem Ehemann vorbehalten.«
»Das ist sehr löblich«, murmelte Anna. »Trotzdem sollten Sie sich mit Ihren Worten zurückhalten, denn wir möchten doch keinen Ärger, oder?«
Duncan nickte grimmig und folgte Anna von nun an schweigend durch die belebte Fußgängerzone, bis sie die Bücherei erreicht hatten.
»Ich spreche, ist das klar?«
Annas Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. Sie traten ein, und Anna fragte die ältere Dame mit den grauen Löckchen nach der Abteilung über das sechzehnte Jahrhundert.
»Uns interessiert besonders das Leben von Maria Stuart.«
Die Dame blickte Anna über ihre Halbbrille freundlich an. »Erster Stock, hinten rechts, dort finden Sie alles, was Sie suchen. Sie sind Touristin, nicht wahr? Aus England, schätze ich. Es ist schön, wenn sich Ausländer für unsere Geschichte interessieren.«
Anna lächelte säuerlich über die Bezeichnung
Ausländer
, während Duncan ihr zuflüsterte: »Seht Ihr, als Engländerin ist man nach wie vor eine Ausländerin. Ich wusste doch, dass Eure Behauptung, Schottland und England wären eine Nation, nicht stimmt.«
Anna verzichtete auf eine Antwort. Es war allgemein bekannt, dass die Schotten alles, was südlich des Flusses Tweed lag, noch immer als Ausland bezeichneten. Ihr Nationalstolz war grenzenlos.
Grübelnd stand Anna vor den meterlangen, hohen Regalen, in denen sich Dutzende Buchrücken mit den Aufschriften
Maria Stuart – Leben und Wirken
,
Das tragische Schicksal von Maria Stuart
,
Die Verschwörung um Maria Stuart
oder auch
Maria Stuart und ihre Liebhaber
reihten. Schließlich entschied sie sich für einen Band, in dem am Ende eine ausführliche Biographie mit allen Jahreszahlen angehängt war, und hielt ihn Duncan vor die Nase.
Dieser warf einen Blick darauf, runzelte die Stirn und sagte: »Was sind das für Zeichen? Ich kann sie nicht lesen.«
Auch noch ein Analphabet, dachte Anna und begann, Duncan die Zahlen und die dazugehörigen historischen Fakten vorzulesen. Bis zum Jahre fünfzehnhundertsiebenundsechzig nickte er zustimmend, bis Anna zu vorlas: »Tod von Marias Gatten Lord Darnley unter nie geklärten Umständen. Maria heiratet den vermutlichen Mörder Bothwell, wogegen sich große Teile des schottischen Adels auflehnen. Im Land kommt es zu Aufständen, nach mehreren Schlachten und einer Gefangenschaft unterliegt Maria in der Schlacht von Langside bei Glasgow endgültig gegen die Lords und flieht über die Grenze nach England, wo sie in Gefangenschaft der englischen Königin Elisabeth der Ersten gerät –«
»Genug!«, rief Duncan und ballte beide Hände zu Fäusten. »Lord Darnley ist ein Schwein, er hat den Tod verdient! Er und seine Anhänger haben David Rizzio ermordet, und Darnley hat die Königin bei jeder sich bietenden Gelegenheit betrogen und beschämt. Aber die Königin würde niemals Bothwell heiraten! Wie sollte sie auch, denn Bothwell hat schon ein Eheweib.«
»Von der er sich gleich nach Darnleys Ermordung scheiden ließ, und keine drei Monate später war Maria Stuart seine Frau«, fuhr Anna fort zu lesen, dann klappte sie das Buch zu und stellte es seufzend in das Regal zurück. »Sie können alle hier stehenden Bücher ansehen, Sie werden in jedem das Gleiche finden. Die Geschichte der schottischen Königin Maria Stuart ist voller Tragik und hat viele Dichter und Schriftsteller inspiriert. Glauben Sie es nun?«
»Hm ...« Duncan schien ihr nicht zuzuhören, seine Finger glitten über die Buchrücken, und er versuchte, die seltsamen Schriftzeichen zu entziffern. Ab und zu fand er einen Buchstaben, den er kannte, aber insgesamt schien sich die Schrift in der Zeit, in der er sich befand, erheblich verändert zu haben. Willkürlich zog er ein Buch aus dem Regal, blätterte darin und sah die Bilder an. Es fanden sich viele von Maria Stuart und auch der englischen Königin auf den Seiten, hier war sogar eine Zeichnung von Bothwell, direkt neben dem Bildnis von Darnley. Duncan fand, dass das Portrait Bothwell nicht gerecht wurde. Er sah viel strenger und ernster aus, als er tatsächlich war, denn Duncan kannte den Earl sehr gut. Er war ein liebenswerter Bursche, der es verstand, zu jagen und zu kämpfen, aber
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