Die Treue Des Highlanders
ihr Zimmer in Brand gesteckt hatte und dabei beinahe die ganze Burg in Flammen aufgegangen war, mussten wir etwas tun. Meine Mutter wollte ihre Verwandte allerdings nicht in diese Anstalt geben, darum kam sie in das Dachzimmer. Dort brachten wir Eisenstäbe vor dem Fenster an, und wir konnten die Tür abschließen. Es war auch nur noch selten nötig, sie zu fesseln, da wir nichts Brennbares mehr in ihre Nähe ließen.«
»Sie haben die Frau gefesselt und eingesperrt?« Anna überlegte sich ernsthaft, Duncan hier und jetzt auf die Straße zu setzen. Sollte er doch sehen, wie er alleine klarkam. Sie wusste nicht, was in seinem Gehirn vor sich ging. Auch wenn er freundlich und harmlos wirkte – vielleicht würde er sie entführen und ebenfalls irgendwo einsperren? »Was geschah mit ihr?«, fügte Anna hinzu.
»Sie starb nach einigen Monaten, es war das Beste für die ganze Familie.« Duncan drehte sich zu ihr um. Sein Blick war so unschuldig, als hätte er gerade erzählt, was er am Vortag zum Abendessen gehabt hatte. Als hätte er Annas Gedanken gelesen, fuhr er fort: »Ich bin bereit, Euch Euer Vorhaben, mich einsperren zu lassen, noch einmal zu verzeihen, außerdem bin ich sehr hungrig. Wärt Ihr so freundlich, uns zu dem erwähnten Gasthof zu bringen?«
Was soll ich nur tun?, fragte sich Anna, während sie den Wagen startete und wieder auf die Straße lenkte. Trotz allem hatte sie keine Angst vor Duncan, sondern fühlte eine Art Verantwortungsgefühl für ihn. Nein, sie konnte ihn nicht einfach auf der Straße aussetzen! So, wie Duncan sich benahm, wäre er fähig, vor das nächste Auto zu laufen. Außerdem sprach er laufend davon, in den See zu springen. Da Anna nicht wusste, ob er tatsächlich schwimmen konnte, könnte sein Vorhaben seinen sicheren Tod bedeuten. Vorerst war es besser, wenn Duncan in ihrer Nähe blieb, morgen würde sie eine Lösung finden.
Während der weiteren Fahrt lehnte Duncan ruhig im Sitz und starrte in die Dämmerung. Anna war ihm für sein Schweigen dankbar, denn sie hatte genug damit zu tun, ihre eigenen Gedanken zu sortieren. Spätestens morgen würde sie sich von Duncan trennen, um sich dann ihrer Beziehung zu Bruce zu widmen. Zumindest in geschäftlicher Hinsicht, dachte sie mit einem ziehenden Schmerz in der Brust, aber sie hatten einen Vertrag über den neuen Film, und Anna würde auf keinen Fall bereit sein, auf das Projekt zu verzichten, nur weil Bruce nicht seine Finger von blonden, langhaarigen Flittchen lassen konnte!
Das Pub war um die Uhrzeit, es war kurz nach acht Uhr abends, gut gefüllt, aber Anna und Duncan fanden einen Tisch in einer ruhigen Ecke am Fenster. Wie in Pubs üblich, gab es keine Speisekarte, sondern die Tagesmenüs standen in weißer Kreide geschrieben auf einer schwarzen Tafel neben der Theke. Kaum hatten sie Platz genommen, fragte Duncan auch schon: »Was für ein Mahl hat der Wirt anzubieten?«
Anna deutete auf die Tafel. »Steht alles dort drüben, oder behaupten Sie, das auch nicht lesen zu können?«
Es traf sie ein giftiger Blick. »Mistress Anna, wenn Ihr in meiner Zeit wärt, dann würdet Ihr Eure Überheblichkeit sehr schnell ablegen und feststellen, dass Ihr unsere Schriften ebenso nicht lesen könnt. Ich muss Euch darauf hinweisen, dass ich Latein und Griechisch studiert habe und auch Französisch lesen und schreiben kann. Wenn Ihr nun also so freundlich wärt, mir die Speisenfolge vorzulesen?«
»Gut, dass ich nicht in Ihrer Zeit bin«, murmelte Anna und war versucht, einfach aufzustehen und ihn seinem Schicksal zu überlassen, wäre da nicht ihr eigener Hunger gewesen. Also blickte sie zur Tafel und erklärte: »Als Tagessuppe gibt es heute eine Tomatencremesuppe mit –«
»Tomaten? Was ist das?«, unterbrach Duncan.
»Tomaten? Gütiger Himmel, Sie behaupten, keine
Tomaten
zu kennen? Die gibt es doch in jedem Supermarkt, das ganze Jahr hindurch. Das sind so runde, rote Früchte, die man roh oder gekocht essen kann.«
»Habe ich noch nie davon gehört. Mit was wartet die Küche noch auf?«
Anna schluckte trocken. Tatsächlich hatte sie keine Ahnung, seit wann Tomaten in England beziehungsweise Europa bekannt waren. Die Früchte standen so selbstverständlich auf jedem Speiseplan, dass sich Anna nie darüber Gedanken gemacht hatte. Da sie überall wuchsen, war Anna immer davon ausgegangen, dass es Tomaten gab, solange die Welt bestand.
Sofort ärgerte sie sich über ihre Überlegungen, denn selbstverständlich kannte Duncan Tomaten! Es war nur
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