Die Treue Des Highlanders
aber die Menschen, Anna zählte inzwischen sechzehn, starrten sie nur verwundert oder auch feindselig an. Erst, als sie die letzte Hütte passiert hatte, drehte sich Anna um und rannte so schnell sie konnte auf die Burg zu. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie solche Angst verspürt, worüber sie sogar die Kälte und Nässe kurzzeitig vergessen hatte. Als sie sich der Burg näherte, erkannte Anna erleichtert, dass durch verschiedene Fensteröffnungen Licht zu sehen war. Wer immer die heruntergekommenen Gestalten waren, in einer solchen Burg wohnten bestimmt Menschen, die ihr helfen würden. Nach einer Biegung kam das Torhaus in Sicht, und in diesem Moment sah Anna Duncan, der gerade durch die kleine Pforte trat. »Duncan Cruachan!«, brüllte sie so laut sie konnte.
Duncan blieb stehen und drehte sich um. Seine Augen weiteten sich in fassungsloser Verwunderung. Wie hatte es geschehen können, dass sie hier war? Er wartete, bis sie näher kam.
»Was wollt
Ihr
hier?«
Über die Unfreundlichkeit in seiner Stimme zuckte Anna zusammen, straffte dann aber ihre Schultern und warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken. »Wie Sie unschwer sehen können, bin ich bis auf die Knochen durchnässt, weil ich Sie vor dem Ertrinken retten wollte. Ich friere und werde mir den Tod holen, wenn ich nicht bald ein heißes Bad, etwas Trockenes zum Anziehen und einen kräftigen Tee mit Whisky darin bekomme. Und dann verlange ich, unverzüglich nach Glenmalloch zurückgebracht zu werden, damit ich meine Sachen packen und diese ungastliche Gegend noch heute verlassen kann!«
Duncan starrte sie konsterniert an, aber immerhin ließ er sich dazu herab, ihren Arm zu ergreifen und sie in das Torhaus zu führen. Sie sah, wie der Torwächter sie von oben bis unten musterte, und wunderte sich darüber, dass er einen eisernen Brustpanzer und eine Art Strumpfhose trug. Er kam Anna wie aus einem Kostümfilm vor, und wäre ihr nicht so kalt gewesen, hätte sie wohl über seinen Aufzug gelacht.
»Es wird da einige Probleme geben«, murmelte Duncan. »Ich habe keine Zeit, mich um Euch zu kümmern, aber kommt erst einmal mit.«
Ohne sie weiter zu beachten, verließ Duncan das Torhaus auf der anderen Seite, und Anna blieb nichts anderes übrig, als ihm in einen Burghof zu folgen.
»Was soll das heißen, Sie wollen mir nicht helfen? Ich bin schließlich Ihretwegen in dieser prekären Situation. Sie haben wohl vergessen, dass Bruce Sie kaltherzig hätte ertrinken lassen. Weiß der Himmel, welcher Teufel mich geritten hat, den Versuch zu wagen, Sie zu retten. Offenbar war es aber nicht nötig, denn Sie sind in aller Ruhe ans Ufer geschwommen. Ich kann jetzt wohl erwarten, dass Sie mich in mein Cottage zurückbringen«, setzte sie sarkastisch hinzu, aber Duncan würdigte sie keines Blickes.
»Ihr verwendet den Namen Gottes und des Teufels oft und in ungebührlicher Weise. Ihr solltet Euch damit zurückhalten, um nicht in Schwierigkeiten zu geraten«, sagte er stattdessen und eilte mit großen Schritten davon.
Anna blieb nichts anderes übrig, als ihm über das unebene Kopfsteinpflaster zum Eingang eines größeren Gebäudes zu folgen. Die Tür knarrte in den Angeln, aber kaum war Anna eingetreten, merkte sie, dass es auch hier nur wenig wärmer als draußen war. Zudem war es beinahe finster, da es in der Halle keine großen Fensteröffnungen, sondern lediglich schmale Schlitze, ähnlich wie Schießscharten, gab. Einzig ein paar qualmende Fackeln, deren Rauch Anna husten ließ, spendeten ein wenig Licht. Sie stolperte hinter Duncan eine Steintreppe hinauf, bis er plötzlich vor einer Tür stehen blieb.
»Wartet hier.«
Es klang wie ein Befehl, und Anna blieb konsterniert stehen, während Duncan die Tür öffnete und in dem Raum verschwand. Anna sah sich um. Auch hier war alles aus Stein, kein Teppich schmückte den Boden, keine Tapete die kahlen Wände, aber auch hier hingen in gleichmäßigen Abständen die seltsamen Fackeln an den Wänden. Unwillkürlich dachte Anna, dass die Burg eine wunderbare Kulisse für einen historischen Film bot. Alles war hier so ursprünglich belassen worden, als wäre die Zeit stehen geblieben, dabei wirkte das Mauerwerk nicht alt und modrig, wie es Anna bei Besichtigungen gesehen hatte. Der massive Stein war trocken und hell, ganz so, als wären die Mauern erst vor kurzer Zeit gebaut worden. Allerdings musste man schon sehr nostalgisch veranlagt sein, um sich hier wohl zu fühlen.
Ungefähr fünf Minuten später öffnete sich die Tür
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