Die Treue Des Highlanders
Ruf eure Königin in der Nachwelt erhalten hat. Ich weiß aber auch, dass ich auf keinen Fall hier in dieser Burg bleiben werde. Wenn du mich nicht an den Hof mitnimmst, dann springe ich in den See, und es ist mir gleichgültig, ob und wann ich wieder irgendwo herauskommen werde.«
Anna wusste, Erpressung war nicht die feine Art, aber sie sah keine andere Möglichkeit. Sie hatte durchaus bemerkt, dass Duncan um ihr Wohlergehen besorgt war, und das machte sie, trotz der komplizierten Situation, sogar ein wenig glücklich. Aus halb geschlossenen Augen beobachtete sie Duncans inneren Kampf, der sich deutlich in seinem Gesicht widerspiegelte.
»Nun gut, ich gebe dir eine Woche, in der du lernen wirst, wie sich eine Frau in unserem Jahrhundert verhält. Helen wird dich einweisen. Dann werde ich entscheiden, ob du mich an den Hof begleiten darfst.«
»Das ist kein Problem, ich bin schließlich Schauspielerin.« Anna versuchte, sich ihre Freude nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Eine Woche war wenig Zeit, viel zu wenig, aber sie war entschlossen, fleißig zu lernen und die Rolle ihres Lebens perfekt zu spielen. »Schließlich habe ich mich bereits seit Wochen mit einer Figur aus eurem Jahrhundert beschäftigt.«
Duncan ging zur Tür. Er hatte bereits die Klinke in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte und sie kritisch musterte. »Es ist ein großer Unterschied, auf einer Bühne jemanden zu spielen oder aber diese andere Person zu
werden
. Ich bin gespannt auf das Ergebnis.«
Er ging hinaus und ließ eine sprachlose Anna zurück, etwas, das in ihrem Leben bisher selten vorgekommen war.
Duncan und seine Mutter waren übereingekommen, Helen in Annas »Geheimnis« einzuweihen. Mit fünfzehn Jahren war Helen den Altersgenossinnen in Annas Zeit weit voraus, musste sie doch schon seit Jahren Pflichten im Haushalt übernehmen. Marla und Cathy, den jüngeren Schwestern, verschwiegen sie allerdings den wahren Grund von Annas Anwesenheit; es hätte die Kinder unnötig erschrecken können. Außerdem war es wichtig, dass niemand sonst im Haushalt erfuhr, woher der plötzliche Gast stammte. Hier im schottischen Hochland glaubte man noch an Magie und Geister, auch wenn die Cruachans sehr bodenständig und realistisch waren.
Einen halben Tag lang musste Anna Helen so viel wie möglich aus der Zukunft erzählen, was gar nicht so einfach war, denn sie wollte das Mädchen nicht erschrecken. Sie hatte Helen innerhalb der kurzen Zeit lieb gewonnen und wünschte sich, selbst eine solche Schwester gehabt zu haben.
Als Erstes musste Anna passende Kleider erhalten. Da die Zeit zu knapp war, neue zu nähen, brachte Helen einen Stapel getragener Gewänder, die allesamt in gutem Zustand waren.
»Vielleicht müssen wir hier und da eine Naht auftrennen und es enger machen, aber eigentlich hatte die Tante eine sehr ähnliche Figur wie du.«
»Die Tante?« Ein Verdacht stieg in Anna auf, und sie schüttelte sich. »Sind das etwa die Klamotten der Irren, die auf eurem Dachboden gestorben ist?«
Helen konnte Annas Entsetzen nicht verstehen. »Ja, sie lagen bisher in einer Truhe, sind aber alle noch in sehr gutem Zustand, keine Motten oder Mäuse. Vielleicht entsprechen die Gewänder nicht ganz der aktuellen Mode bei Hof, aber Duncan meint, das würde nichts ausmachen. Schließlich kommst du aus Irland, und in Edinburgh wird kaum einer wissen, welche Kleider man dort trägt.«
Sie hatten vereinbart zu erzählen, Anna habe bisher in Irland gelebt und sei nach dem Tod ihrer Eltern zu ihren einzigen noch lebenden Verwandten nach Schottland gereist. Es bestand kaum die Gefahr, dass man Anna über Irland befragen würde, denn kaum ein Schotte hatte das Land je bereist.
Anna schluckte und ließ sich von Helen beim Ankleiden helfen. Obwohl sie nun schon drei Tage auf der Burg war, hatte sie bisher nicht baden können. Duncan hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, dass man wegen einer Person nicht den Aufwand betreiben würde, Wasser zu erhitzen und zwei Treppen hinaufzuschleppen.
»Du wartest, bis wir alle baden. Waschen kannst du dich derweil im Hof.«
Diese Waschstelle war das Primitivste, was Anna bisher gesehen hatte. Sie lag gleich neben den Aborten – Holzverschläge mit einem Donnerbalken über der Jauchegrube, aus der es erbärmlich stank – und war lediglich ein Brunnen, aus dem Anna nur unter großer Anstrengung eiskaltes Wasser in einem Holzeimer hochziehen konnte. Da es ringsherum keinen Sichtschutz gab, blieb Anna nichts anderes
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