Die Treue Des Highlanders
warte, Alice Skelton, du legst Duncan nicht mit dem ältesten Trick der Welt herein!«, murmelte Anna und sagte dann lauter zu June: »Hab keine Angst, Mädchen, ich werde mich darum kümmern. Geh jetzt und mach deine Arbeit weiter, aber das Laken hier behalte ich. Lady Alice wird ihr blaues Wunder erleben!«
June zögerte, die ihr aufgetragene Arbeit jemand anderem zu überlassen, aber sie hatte tatsächlich ein wenig Vertrauen zu Anna gefasst, darum nahm sie den Eimer und eilte davon.
Anna, das Laken immer noch in Händen, setzte sich auf die Bettkante und überlegte. Es musste vor aller Augen geschehen, so dass auch Lady Flamina nichts mehr vertuschen konnte. Angestrengt dachte sie nach und fasste einen Plan, der aus einem Drehbuch stammen könnte. »Wozu bin ich schließlich Schauspielerin?«
Anna lächelte zufrieden und begann, sich für die Hochzeit zu richten. Nun sah sie der Zeremonie mit Spannung entgegen.
Alle, die im Hochland südlich von Inverness Rang und Namen hatten, waren gekommen. Die Burgkapelle war bis auf den letzten Platz besetzt, rangniedrigere Personen standen an der hinteren Wand, und das Personal hatte sich im Burghof versammelt. Anna, das verräterische Laken in eine dunkle Wolldecke gehüllt unter dem Arm, drückte sich in eine Ecke und beobachtete die aufwändig und kostbar gekleideten Gäste. Nie zuvor hatte sie eine solche Pracht und so viel Schmuck und Edelsteine auf einmal gesehen. Die Kleider der Damen und Herren waren ausnahmslos aus feinem Samt oder schimmernder Seide, die gestärkten weißen Halskrausen ebenso wie die Hauben der Damen und die Baretts der Herren mit Edelsteinen besetzt. Auch an den Griffen der Messer und Schwerter glitzerten Diamanten, und Perlen so groß wie Taubeneier zierten die Dekolletés so mancher Adliger. Dann erschien Alice Skelton, und Anna hielt unwillkürlich die Luft an. Die Näherin hatte in den wenigen Tagen ganze Arbeit geleistet. Alices Kleid aus hellblauer Atlasseide sprang in Falten über einem weißen Unterkleid auf, die Ärmel und der Ausschnitt bestanden aus feinster Spitze. In ihr offenes, bis auf die Hüften fallendes Haar waren Perlenstränge geflochten. Alice trug ihr Kinn hoch, sah sich erwartungsvoll in der Kapelle um und schenkte hier und da einem Gast ein bezauberndes Lächeln. Neidvoll musste Anna eingestehen, dass sie selten eine schönere Frau gesehen hatte. Warte, dir wird dein Lächeln noch vergehen, dachte sie grimmig, dann wurde ihre Aufmerksamkeit von Duncan in Anspruch genommen. Auch er war aufwändig und elegant gekleidet: ganz in Dunkelgrün, einzig das Unterfutter seiner aufspringenden kurzen Hose glänzte in einem kräftigen Goldton. In seinem langärmligen Wams klafften hundert kleine Schlitze, die das moosgrüne Satinfutter durchschimmern ließen. Sein karierter Umhang in den Farben von Glenmalloch war fellverbrämt, und an seinem Barett wippte eine grüne Feder. Bei seinem Eintreten verstummten die Gespräche, und alle Augen richteten sich auf Braut und Bräutigam. Während Alice von ihrem Vater nach vorne zum Altar geführt wurde, schritt Duncan mit gesenktem Haupt den Mittelgang entlang, als ginge er nicht zu seiner Vermählung, sondern zum Schafott.
Anna hatte keine Ahnung von den Riten einer katholischen Trauung im sechzehnten Jahrhundert. Sie konnte nur hoffen, dass sie sich nicht allzu sehr von denen, die sie bisher erlebt hatte, unterschied. Der Priester begann mit einer lateinischen Ansprache, von der Anna kein Wort verstand, dann forderte er das Brautpaar auf, vor dem Altar niederzuknien. Annas Herz klopfte so heftig, dass sie meinte, jeder in der Kapelle müsse es hören, als der Priester die Worte sagte, auf die sie gewartet hatte: »Wir sind hier und heute zusammengekommen, um vor dem Angesicht Gottes diese Frau diesem Mann zum Eheweib zu geben. Sollte jemand einen Grund kennen, der gegen eine Vermählung spricht, so möge er jetzt sprechen oder für immer schweigen.«
»Ja, ich kenne einen Grund! Diese Ehe wird aufgrund einer Lüge geschlossen!« Rigoros drängte sich Anna nach vorne. Alle Blicke richteten sich auf sie, und man hätte eine Stecknadel fallen hören können, so still war es geworden. Doch kaum war Anna vor dem Altar angekommen, schoss Lady Flamina wie eine Furie auf sie zu.
»Was fällt dir ein, du unverschämtes Ding?« Sie wandte sich an den Priester. »Beachtet sie nicht, Hochwürden, sie ist nur eine Magd, die wohl ihre Stellung in unserem Haushalt vergessen hat.«
»Das habe ich
Weitere Kostenlose Bücher