Die Treue Des Highlanders
einen Moment, dann schlossen sich seine Arme um Annas zitternden Körper.
»Das wird er nicht noch einmal wagen!«, brummte er und blickte auf seinen Bruder hinunter, der reglos im Gras lag.
»Er lebt aber noch?«, fragte Anna besorgt. Obwohl sie Douglas den Kinnhaken gönnte, hoffte sie nicht, dass er ernsthaft verletzt war.
»Er wird wahrscheinlich die nächsten Tage Schwierigkeiten beim Trinken und Essen haben, aber es wird ihm eine Lehre sein«, lachte Duncan. »Oder habe ich euch eventuell bei etwas gestört, was dir gar nicht so unangenehm war?«
»Du scheußlicher Kerl!« Anna hieb mit beiden Händen auf Duncans breite Brust. »Du weißt genau, dass ich deinen Bruder nicht küssen wollte.«
»Dann stimmt es, was er gesagt hat?«
»Was gesagt hat?« Anna beschlich ein Verdacht. Wie lange schon hatte Duncan ihnen zugehört?
»Dass du mich liebst.«
Mit einem Ruck machte sich Anna von ihm frei. »Deine Selbstüberschätzung steht der deines Bruders in nichts nach, Duncan Cruachan. In Anbetracht der Tatsache, dass du in weniger als zwölf Stunden heiraten wirst, zugleich deine Königin und dein Land vor dem Untergang bewahren willst, erscheint es mir angebracht, dass du dir über andere Dinge Gedanken machen solltest.«
»Anna, ich möchte nicht, dass man dir wehtut.« Seine Stimme hatte jeden Spott verloren und klang ernst und auch ein wenig bitter. »Das Schicksal hat uns aus unerklärlichen Gründen zusammengefügt, aber wir beide wissen, dass es nicht für immer sein wird. Wir haben eine Mission zu erfüllen, danach werden wir uns trennen. Es wäre besser, wenn du dich nicht in mich verliebst, denn ich werde niemals mit dir zusammen in die Zukunft gehen.«
»Duncan Cruachan, du bist der überheblichste Mensch, der mir jemals begegnet ist!«, schleuderte ihm Anna wütend entgegen. »Niemals käme ich darauf, mich in einen Mann zu verlieben, der in einer solch schmutzigen Zeit ganz ohne jegliche Zivilisation lebt.« Annas aufsteigende Tränen straften ihre Worte Lügen, aber zum Glück war es zu dunkel, als dass Duncan sie bemerken konnte. »Du hast eine Frau wie Alice Skelton verdient! Gemeinsam könnt ihr dann vor dem Spiegel sitzen und überlegen, wer der Großartigste von euch beiden ist! Ich glaube, ich gehe lieber das Risiko der Zeitreise ein, als noch einen Tag länger in deiner Gegenwart zu bleiben!«
Unter Aufbietung ihrer letzten Willenskraft schaffte es Anna, ins Haus zurückzukehren, ohne Duncan merken zu lassen, wie sehr seine Worte sie verletzt hatten.
Er machte keinen Versuch, ihr zu folgen, sondern starrte gedankenverloren in die Dunkelheit. Seine Vermutung war also richtig gewesen – sie empfand ähnliche Gefühle für ihn wie er für sie.
»Es darf nicht sein!«, stöhnte er auf. Er würde Alice heiraten, die Königin retten und danach als Ehemann und Vater die meiste Zeit auf Glenmalloch leben und den Besitz bewirtschaften. Er musste und er würde Anna vergessen, am besten, er fing gleich damit an. Vielleicht war es tatsächlich das Beste, sie morgen zum Glen-Mal-Loch zu bringen, damit sie ein für alle Mal wieder aus seinem Leben verschwand.
Der Morgen graute bereits, als Anna endlich in einen kurzen Schlummer fiel. Als sie aufwachte, kam es ihr vor, als hätte sie nur wenige Minuten geschlafen. June hatte das Zimmer betreten, um das Nachtgeschirr zu leeren. Eigentlich war ein anderes Mädchen dafür verantwortlich, aber dieses war vor zwei Tagen ans Krankenbett ihrer Mutter gerufen worden, so oblag June diese Aufgabe, um die Anna sie nicht beneidete.
»Guten Morgen, June«, murmelte Anna und schwang die Beine aus dem Bett. Von dem Mädchen kam nur unverständliches Gemurmel, während sie den Inhalt von Annas Nachtgeschirr in einen Holzeimer kippte. Der scharfe Geruch ließ Anna unwillkürlich eine Hand vor die Nase halten. Sie würde sich niemals an das Fehlen einer Toilette mit Wasserspülung gewöhnen. Obwohl June immer still und zurückhaltend war, verhielt sie sich an diesem Morgen besonders seltsam. Sie schenkte Anna keinen Blick und hielt den Kopf gesenkt.
Anna trat neben sie, sah ihr ins Gesicht und stieß einen Schrei aus. »Wer hat dir das angetan?« Junes linkes Auge war blutunterlaufen und beinahe vollständig zugeschwollen, am Jochbein klaffte eine etwa zwei Zentimeter lange blutende Platzwunde. Bevor June ihr entweichen konnte, hielt Anna das Mädchen fest und wiederholte: »Du meine Güte, June, wer hat dich so misshandelt?«
Anna wusste, in der Küche herrschten raue Sitten,
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