Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
seufzte Gottschalk, wie Männer eben seufzen, wenn ihre Frau sich völlig unverständlich beträgt.
»Ich nehme an, daß dein eigenartiges Verhalten von deinem Zustand herrührt. Leg dich hin, hoffentlich geht es dir morgen wieder besser.«
Es ging mir am folgenden Tag keineswegs besser, denn ich hatte in der Nacht eine Fehlgeburt - die einzige meines Lebens. Ich blutete entsetzlich und war danach so schwach, daß ich gar nicht recht wahrnahm, wie sich meine Mutter, Tante Engilradis, die unvermeidliche Äbtissin von St. Ursula und schließlich auch noch ein jüdischer Arzt, den sie erst dann riefen, als schon kaum mehr Hoffnung war, um mich bemühten. Mutter zog dann für eine Weile in unser Haus, um mich zu pflegen, leitete meinen Haushalt mit fester Hand, erzog meine Kinder zu tadellosem Benehmen und päppelte mich wieder auf. Sie machte sich große Sorgen um mich, weil ich mich lange Zeit noch höchst elend fühlte - sie wußte ja nicht, daß nicht nur mein Körper, sondern auch meine Seele leer und ausgeblutet war.
Ich nahm es als Vorwand, für längere Zeit Gottschalks Umarmungen zu vermeiden. Darum bekamen wir im nächsten Jahr kein Kind, und die Kluft zwischen uns wuchs.
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I m darauffolgenden Jahr hatte Gottschalk einen Unfall. Er wollte von einem Schiff steigen; aber die Planke war vereist, er glitt aus und fiel in den eiskalten Rhein. Nun ist Gottschalk ein glänzender Schwimmer, und seiner Bärennatur machte auch das unfreiwillige Bad nicht allzu viel aus, davon bekam er nur ein bißchen Husten. Aber sein Fuß hatte sich beim Sturz in einem Tau verfangen, und so brach er sich ein Bein.
Ich erschrak sehr, als ihn ein paar Hafenarbeiter auf einer ausgehängten Tür in unser Haus trugen. Einer hatte zum Glück daran gedacht, seinen schäbigen, stinkenden, aber warmen Mantel über Gottschalk zu decken, sonst hätte er wohl doch noch eine Lungenentzündung davongetragen. Ich belohnte die Männer reichlich und ließ Wasser heiß machen, um Gottschalk in ein Bad zu stecken; dann erst merkte ich, daß er nicht stehen konnte, und ließ sofort den Bader kommen. Das Bein wurde sachkundig eingerichtet und geschient, wobei Gottschalk die entsetzlichsten Flüche ausstieß. Als der Bader gegangen war, fand ich, daß mein Mann trotz nunmehr trockener Kleidung noch immer eisige Hände und Füße hatte, und ich kroch kurz entschlossen zu ihm ins Bett, um ihn mit meinem Körper zu wärmen. Ich hätte nicht gedacht, daß er trotz des gebrochenen Beines sofort auf andere Gedanken kam; aber so liebten wir uns zum erstenmal wieder nach langer Zeit und fanden beide Trost dabei.
Nun hatten wir für das Frühjahr wieder eine Reise nach Braunschweig geplant, bei der ich dabeisein sollte, weil meine Familie der Ansicht war, der Kontakt zu Fürstin Mathilde solle unbedingt gepflegt werden. Nachdem für Gottschalk eine Reise zur Zeit nicht in Frage kam, meinte mein Vater, dann sei es diesmal wohl meine Aufgabe, diese Fahrt zu leiten. Zwar sollten die Brüder Theoderich und Heinrich mich begleiten, aber die Verantwortung läge bei mir. Ich war sprachlos. Das hatte ich mir immer gewünscht, wenn auch gewiß nicht auf Kosten der Gesundheit meines Mannes. Mit Feuereifer bereitete ich alles vor. Die Planung schien mir nicht schwer, da ich diese Fahrt ja bereits mehrfach unternommen hatte. Ich glaube, meine Mutter hat den Brüdern hinter meinem Rücken einen Wink gegeben, meine Autorität nicht in Frage zu stellen, denn die beiden fragten
dauernd so höflich nach meinen Anordnungen, daß es mir schon auffiel.
Wir genossen wieder die tadellose Ordnung in Herzog Heinrichs Reich. Die Straßen und Brücken waren gepflegt, es gab ausreichend bequeme Gasthäuser auf dem Weg, von Räubern war weit und breit nichts zu sehen. Wir erreichten Braunschweig in kurzer Zeit. Ich wußte nicht, ob die flämischen Tuchweber bereits mit der Entsumpfung ihres Territoriums fertig waren und ihrem eigentlichen Broterwerb nachgehen konnten, hatte aber vorsichtshalber auf Tuchwaren verzichtet und statt dessen hauptsächlich Rheinwein geladen sowie Goldborten, Gürtel und Taschen aus dem Lager meiner Mutter.
Natürlich bestand Mathilde wieder darauf, mich in der Burg unterzubringen. Sie lud auch Theoderich und Heinrich ein, aber für diese war es praktischer, im Handelshof zu bleiben, bis unsere Waren verkauft waren. Ich hatte Bedenken, ihnen diese Aufgabe allein zu überlassen, weil ich doch die Verantwortung trug und es mir ungerecht
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