Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
brach es aus ihr heraus.
»Wage es nicht, Sophia, auch nur ein einziges Wort gegen meinen Löwen zu sagen! Wage es bloß nicht …«
Ich war tief getroffen und verletzt.
»Ich hatte nicht die geringste Absicht, auch nur ein einziges unehrerbietiges Wort gegen den Fürsten zu äußern«, sagte ich steif und erhob mich, um zu gehen.
Aber Mathilde packte mich am Arm und zog mich wieder an ihre Seite.
»Verzeih mir, Sophia«, schluchzte sie.
»Im Grunde meinte ich ja nicht dich, sondern mich selbst. Kein Wort will ich gegen meinen Löwen sagen …«
Sie fügte nicht hinzu: obwohl er so sein Reich und die
Zukunft unserer Kinder gefährdet. Aber vielleicht hat sie etwas Ähnliches gemeint.
Ich dachte noch lange über Mathildes Bericht nach, und in mir wuchs der Zorn - nicht gegen den Fürsten Heinrich, den ich sehr ins Herz geschlossen hatte wegen seiner Geradlinigkeit, seiner Ehrlichkeit und seiner Kraft, wenn er auch niemals über die Geschmeidigkeit des Politikers Friedrich verfügte. Und natürlich wegen seiner zartfühlenden Liebe zu seiner Gemahlin.
Nein, mein Groll richtete sich gegen den Kaiser, und zwar wegen des Ausdrucks »Krämerseele« - ein Wort, mit dem Friedrich offensichtlich tiefste Verachtung ausdrücken wollte. Das hatte mich bis ins Mark getroffen.
Man hat also eine schändliche Krämerseele, wenn man für einen Dienst einen anderen, für eine Gabe eine Gegengabe erwartet?
Das ist leicht dahingesagt, wenn man ein Kaiser ist oder ein großer Fürst. Es ist bei diesen hohen Herren nicht gerade üblich, sich um den Ertrag eines Landes zu bemühen, wie es der Löwe in seinem Gebiet unermüdlich tut, um mit dessen Wohlstand außer den Taschen seiner Bewohner auch die eigene zu füllen. Nein, wenn der Erzbischof von Köln Geld braucht, dann versucht er bedenkenlos, es sich von seinen Bürgern zu holen - durch neue Abgaben, Sondersteuern, was auch immer. So machen es die ganz hohen Herren alle. Da ist es leicht, den Kaufmann zu verachten, der mit seiner Familie ganz schnell verhungern könnte, wollte er seine Ware ohne Gegenleistung, nämlich Geld, hergeben.
Ich hatte ja schon öfter den Eindruck gehabt, daß Herzog Heinrich die Grundzüge des kaufmännischen Geschäfts durchaus verstanden hatte und befolgte, und auch dafür liebte ich ihn und dachte geringer als zuvor vom Kaiser, welcher ihn dafür mißachtete.
Etwas gab mir noch zu denken.
»Weißt du, Mathilde«, sagte ich zögernd, »mein Vetter Constantin kennt ja den Kaiser und die Kaiserin recht gut, aus der Zeit, die er bei Rainald von Dassel verbracht hat. Nach seinen Erzählungen hatte ich einen ganz anderen Eindruck von ihr. Er schilderte, wie die Kaiserin, in höchster Lebensgefahr, mit ihrem Gemahl getändelt und gescherzt hatte, um ihm die Sorge um sie zu nehmen. Und wie sie, schon als Küchenmagd verkleidet, vor ihrer Flucht ihn noch kokett ermahnt hatte, ihr nur ja treu zu bleiben. Nun frage ich mich, ob das die gleiche Frau ist wie vor zehn Jahren?«
Mathilde schüttelte langsam den Kopf.
»Es ist nicht die gleiche Frau. Jetzt ist sie eine Frau, die nur ein Ziel kennt: die Zukunft ihrer Kinder. Den Kaiserthron für ihren Ältesten, und möglichst für jedes andere Kind auch eine Krone oder einen Bischofshut, wenn nicht gleich die Tiara. Sie hat die alberne Bemerkung Jordans über die heruntergefallene Krone entstellt weitergegeben, so als hätte er gesagt, er wolle die Krone für meinen Heinrich aufheben. Dabei frage ich dich: Was sollte er wohl gerade mit der Krone der Lombarden? Danach hat es ihn noch nie gelüstet …«
Mir kam der Gedanke, daß auch meine Freundin Mathilde inzwischen Kinder hatte, um deren Zukunft ihre Träume und Wünsche unbeirrt kreisten. Möglicherweise war nicht genug Raum auf der Welt, daß sowohl die Wünsche der Kaiserin Beatrix wie auch die Wünsche der Herzogin Mathilde in Erfüllung gehen konnten.
Und ich dachte weiter, es sei doch ein großes Glück, daß ich nur eine Kölner Kauffrau bin, die hart arbeitende Frau eines Kölner Kaufmanns, ohne Macht und Einfluß, wenn auch nicht ohne Verstand. Von uns gibt es viele, aber es ist Platz für alle da.
Als ich nach meiner Rückkehr nach Köln der Familie die Neuigkeiten berichtete, herrschte betretenes Schweigen.
»Das klingt sehr nach einem Bürgerkrieg«, meinte mein Vater finster.
Constantin nickte. »Kaiser Friedrich wird sich das gut merken, auch ohne die Mahnung seiner Gemahlin. Und er wird die Antwort darauf nicht schuldig
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