Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
mir dann. Dabei strahlte er mich verliebt an. Ich fühlte mich geschmeichelt, aber es war mir trotzdem viel zuviel.
Aus beginnendem Trotz äußerte ich gelegentlich eine Meinung, die ich selbst für unsinnig hielt, um zu sehen, wie er reagierte. Mit beflissener Freundlichkeit stimmte er mir dann zu. Unmittelbar darauf sagte ich das genaue Gegenteil, und wieder gab er mir recht. Ich konnte in seinen Augen offenbar nichts falsch machen, und das ärgerte mich sehr, weil ich das Gefühl hatte, daß er ein Abbild seiner eigenen Vorstellung von einer vollkommenen Braut liebte und mich als Persönlichkeit weder erkannte noch ernst nahm.
Ich fing an, seine häufigen Besuche zunehmend als Last zu empfinden, und der Gedanke, mein ganzes Leben an seiner Seite zu verbringen und des Nachts in seinem Bett zu schlafen, mißfiel mir immer mehr. Dabei war er keinesfalls körperlich abstoßend, sondern ein wirklich hübsch anzusehender junger Mann. Ich hatte ja keinerlei Erfahrungen mit der Liebe, aber langsam wurde mir klar, daß ich überhaupt nicht in Gerard verliebt war.
Ich versuchte ganz vorsichtig, mit Mutter darüber zu sprechen; aber selbst sie, die doch immer soviel Verständnis für mich hatte, meinte nur herzlich, die Liebe stelle sich meist von ganz allein im Lauf der Zeit ein. Dann fragte sie besorgt, ob ich ihm denn irgendetwas vorwerfen könne. Ich schüttelte
stumm den Kopf. Hätte ich etwa sagen sollen: Mutter, ich merke, daß ich schneller denken kann als er? Oder: Mutter, ich langweile mich in seiner Gesellschaft? Oder gar: Mutter, ich möchte ihn lieber doch nicht heiraten, laß mich noch eine Weile bei euch bleiben?
Vielleicht hätte ich es tun sollen. Vielleicht hätten meine Eltern mir den Willen gelassen, und alles wäre anders gekommen. Aber ich hielt es für viel wahrscheinlicher, daß mein Vater mir die Grillen verbieten würde, und so ließ ich die Zeit vergehen und wurde innerlich immer widerspenstiger.
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M ein Geburtstag war für mich eigentlich immer das schönste Fest des Jahres. Der Tag begann damit, daß Vater und Mutter früh mit mir in die Messe gingen und Gott sowie der Jungfrau Maria innig dafür dankten, daß ihnen doch noch das ersehnte Kind geschenkt worden war, eine so schöne, tüchtige und herzensliebe Tochter. Das machte mich stolz und glücklich. Am Nachmittag kam dann die ganze Familie mit Großvater an der Spitze, und wir feierten bis in die Nacht hinein.
Aber dieses Jahr, zu meinem sechzehnten Geburtstag, war mein Bräutigam dabei, und das auch schon früh am Morgen in der Kirche! Als er hörte, wie meine Eltern Gott dankten, schloß er sich gleich an und dankte ebenfalls, daß er eine so reizende Braut bekommen hätte, die nun schon bald seine Ehefrau sein würde; denn drei Tage darauf sollte die Hochzeit sein. Dann legte er, genau wie Vater, ein sehr großzügig bemessenes Opfer zu Füßen der Muttergottes nieder.
Ich stand zwischen Vater und Gerard in der Kirche und wußte, daß ich das nächste Mal das Gotteshaus als Braut
betreten würde. Mir war klarer denn je, daß ich das auf keinen Fall wollte. Und nachdem meine Eltern und Gerard ihre Gebete vor dem Altar von St. Laurenz halblaut gesprochen hatten, betete ich im geheimen: »Lieber Gott, ich weiß nicht, wie ich dieser Ehe noch entkommen soll, aber finde du doch bitte einen Weg, mich davor zu bewahren. Vielleicht kann er ja vor der Hochzeit nochmals auf eine Handelsfahrt gehen und sich, weit fort von Köln, in eine andere verlieben. Oder denke dir etwas anderes aus, aber laß es bitte nicht zu dieser Heirat kommen. Amen.«
Du schüttelst den Kopf? Du hast recht, mein Kind. Dumm war ich, so dumm. Dabei glaubte ich, ich hätte die Klugheit mit Löffeln gegessen. Meine einzige Entschuldigung ist, daß ich noch so jung war. Ich hatte noch nicht erfahren, daß nur jemand klug genannt werden kann, der sich auch in andere Menschen einfühlen kann. Ich aber dachte nur an mich und bemitleidete mich selbst - und das ohne den geringsten Grund.
Zwei Tage darauf stand ich in der Schlafkammer meiner Eltern, und meine Mutter probierte mir mein Hochzeitskleid an, ein prächtiges Gewand aus weißer Seide und einem rotsamtenen Überwurf. »Da sollten wir es noch ein wenig enger nähen, bei deiner zierlichen Gestalt. Weiße Rosen wären schön als Brautkranz, was meinst du, Sophia?« fragte sie mich. Ich zuckte mit den Schultern, es war mir gleich. Da hämmerte unten jemand mit dem Klopfer an die Tür, als wollte er
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