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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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danach nahm niemand im Hause das Wort Hochzeit mehr in den Mund.
     
    Ich weiß noch gut, wie elend ich mich in der folgenden Zeit fühlte. Ich ging fast täglich zu Gerards Grab, als ob ich damit irgendetwas wieder hätte gutmachen können. Daß ich bei all dem Unglück auch noch deutliche Erleichterung darüber verspürte, daß ich nun nicht mit dem armen Gerard verheiratet
war, machte es keineswegs besser. Ich redete kaum, aß wenig und magerte ab. Manchmal saß ich ganz gleichgültig da, die Hände müßig, den Blick ziellos in die Ferne gerichtet. Dann wieder stürzte ich mich in die Arbeit, biß mich durch Großvaters Handelsbücher durch, bis mir der Kopf rauchte, oder half Lisa schon im Morgengrauen in der Küche. Eines Tages fand Mutter mich im Garten, wo ich mit der Wäscherin die frisch gewaschenen Laken zum Bleichen ausbreitete.
    »Aber Sophia«, meinte Mutter sorgenvoll, »das brauchst du doch wirklich nicht zu machen.«
    »Ich möchte arbeiten«, bemerkte ich mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Dann tu etwas Sinnvolles«, meinte Mutter, schon energischer.
    »Was ist an sauberer Wäsche nicht sinnvoll?« wollte ich wissen.
    Mutter verlor die Lust, mit mir zu diskutieren.
    »Wir sprechen heute abend noch miteinander«, meinte sie und verschwand. Kurz darauf sah ich sie das Haus verlassen, in Richtung Unter Goldschmied . Aha, nun beriet sie sich wieder mit Großvater.
     
    Und richtig: Nach dem Abendessen nahm Vater mich bei der Hand und führte mich in den Garten. Mutter folgte uns. Wir setzten uns auf die kleine Bank, wo Mutter sich bei Näharbeiten von der Arbeit im Kontor zu erholen pflegte.
    »Ich fahre nächste Woche nach England«, bemerkte Vater. Ich nickte gleichgültig.
    »Ich sollte eher sagen, wir fahren nach England«, fügte er hinzu.
    »Ach, Mutter fährt mit?« Das war etwas Neues. Ich konnte mich gar nicht entsinnen, daß sie ihn einmal begleitet hatte.
    »Ja, sie kommt mit. Und du auch.«

    Jetzt war ich mit einem Schlag glockenwach. »Nach England? Wirklich? Aber Großvater -«
    »Es war Großvaters Vorschlag«, fiel Vater mir ins Wort. »Er meinte, etwas Abwechslung sei dringend nötig für dich. Du mußt unbedingt von hier fort. Und unter unserer Obhut …«
     
    Dies war das einzige Mal, wenn ich mich recht entsinne, daß mein Großvater seine Meinung geändert hat. Trotz seines hohen Alters war er kein sturer Greis, sondern verstand es auch in schwierigen Lagen umzudenken.
     
    Meine Schwermut war nun wie fortgewischt. Ich hatte alle Hände voll zu tun, mich auf diese Reise vorzubereiten. Vater sagte einmal halblaut zu Mutter: »Man sollte meinen, ich hätte selber keine Ahnung, was vor einer Handelsfahrt getan werden muß!« Aber ich tat so, als hätte ich es nicht gehört.
     
    Wir luden vor allem sehr viel Rheinwein (Gott schenkte den Engländern zu unserem Glück durstige Kehlen), wertvolle Seidenstoffe und Gewürze, aber auch die kostbaren Waren aus Mutters Lager: Seidenbänder, Goldborten, kunstvolle Gürtel mit und ohne Geldtäschchen. Großvater gab uns noch ein kleines Kästchen mit Juwelen mit, die er bei dem geldknappen Kaiser Friedrich dem Rotbart nicht hatte verkaufen können und die vielleicht das Wohlgefallen der schönen englischen Königin Alienor finden würden.
    Mein Vetter Constantin war gerade in Köln, und er hatte aus Italien mehr Pfeffer mitgebracht, als er absetzen konnte - eine sehr begehrte Zuladung. Seine beiden Stiefsöhne Theoderich und Heinrich fuhren mit uns, und mein Vetter Helperich auch.

    Am Tag vor der Abreise rief Mutter mich in ihre Kammer. Sie kramte in Vaters Truhe und zog schließlich ein paar Kleidungsstücke hervor.
    »Frauenkleider sind auf einem Schiff äußerst unpraktisch«, bemerkte sie. »Und auch sonst ist es auf Reisen besser, wenn man dich nicht sofort als Frau erkennt. Ich habe es immer so gehalten, wenn ich auf Fahrt ging.«
    Sie zeigte mir, wie ich aus meinem Haar einen Knoten auf dem Kopf schlingen sollte, der unter eine Mütze paßte. Ich probierte die Bruch meines Vaters an und lachte; noch nie hatte ich Männerkleidung getragen. Dann nestelte ich die Strümpfe an die Bruch und schaute zweifelnd an mir herunter.
    »Das müssen wir ein wenig auspolstern«, meinte Mutter und grinste dazu wie ein Lausbub.
    Ich ging probeweise in der Kammer auf und ab und stellte fest, daß ich mich so weit bequemer bewegen konnte als im Rock.
    »Nun noch den Mantel«, sagte Mutter und reichte ihn mir. Ich legte ihn um und machte die Schließe zu,

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