Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
ihn unter halbgesenkten Lidern an. Er wartete. Warum sagte Heinrich nichts? Warum versprach er nicht unverzügliche Zahlung, oder zumindest einen Abschlag, irgend etwas? Statt dessen zuckte er nur hilflos mit den Achseln.
»Nun, dann will ich mich jetzt zu Bett begeben«, sagte Graf Welf kurz, nahm endlich den Fuß von meinem Kleid und dafür den Arm des Neffen, neigte sich höfisch vor Herzogin Mathilde, zwinkerte mir zu und entschwand.
Mathilde hatte damit gerechnet, daß der Gast eine Weile bleiben würde; aber während sie am nächsten Morgen in aller Frühe dabei war, mit dem Haushofmeister Belustigungen für Graf Welf zu planen, trat dieser selbst bei ihr ein. Von dem gestrigen Gelage war ihm nicht mehr viel anzumerken. Er strömte zwar noch einen gewaltigen Weindunst aus, so daß ich den Verdacht hatte, seine morgendliche Wäsche hätte sich auf die Fingerspitzen beschränkt, aber seine Augen blickten klar und scharf. Er trug Reitkleidung.
Höflich verneigte er sich vor Mathilde und reichte ihr eine kostbare, mit Edelsteinen besetzte und herrlich geschmiedete goldene Agraffe. »Verehrte Nichte, so etwas tragen die Damen bei uns in Schwaben jetzt«, bemerkte er heiter. »Man steckt es an die Haube oder rafft den Haarschleier damit zusammen. Eure Kammerfrau wird schon wissen, wie man das macht. Nicht, als ob Eure Schönheit irgendeine Verzierung nötig hätte«, fügte er noch hinzu und lächelte schelmisch.
Ich dachte, daß man in dem alten Herrn noch immer den Knaben erkennen konnte, der er einst gewesen war - das jüngste, gehätschelte Kind in einer langen Geschwisterreihe.
Dann wandte er sich zu mir und reichte mir einen Ring, kostbarer als irgendein Schmuckstück, das ich je besessen hatte.
»Liebe Sophia, ich danke auch Euch für einen schönen Abend in reizender weiblicher Gesellschaft. Nehmt dies zum Andenken an einen alten Mann, der sich nur noch aus der Ferne an Schönheit erfreuen darf, obwohl er sie zu seiner Zeit auch aus der Nähe sehr zu schätzen wußte. Und verzeiht auch, daß mein Fuß gestern Abend auf Eurem Kleid gestanden hat.«
Ich wurde puterrot und war ganz froh, daß mein Gottschalk dieses schon etwas bedenkliche Kompliment nicht gehört hatte. Ich machte einen tiefen Knicks vor dem Grafen.
»Nun darf ich mich von Euch verabschieden, meine Reise führt mich weiter«, sagte Graf Welf. Mathilde traute ihren Ohren nicht. Mit diesem überstürzten Abschied hatte sie durchaus nicht gerechnet.
»Aber lieber Onkel, wollt Ihr nicht noch eine Weile bei uns bleiben«, bat sie bestürzt. Der Graf schüttelte lächelnd den Kopf. »Meine Pferde sind bereits gesattelt, und ich war so frei, mir etwas Reiseproviant einpacken zu lassen - Eure Erlaubnis vorausgesetzt.«
Mathilde sandte eiligst ihre Kammerfrau in die Kapelle, wo Herzog Heinrich sein Morgengebet verrichtete. Er kam gerade noch rechtzeitig herbei, um seinen Oheim aufsitzen zu sehen. Der Graf blickte auf seinen verblüfften Neffen herab.
»Leb wohl, Heinrich«, sagte er, und seine Stimme klang freundlich, hatte aber einen deutlich spöttischen Beiklang.
»Du hast wohl gedacht, ich mache es sowieso nicht mehr
lang? Siehst du, Neffe, der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«
Er tippte mit der Hand an den Rand seiner Fellkappe, sandte noch einmal einen höfischen Gruß zu Mathilde und einen Handkuß zu mir und preschte dann aus dem Burghof, sein Gefolge hinterher.
Mathilde schaute ihm beklommen nach.
»Was kann er damit wohl gemeint haben?« fragte sie ihren Mann.
Heinrich zuckte unbehaglich die Achseln.
»Ich weiß es auch nicht. Aber zum Glück hat er nicht darauf bestanden, daß ich ihm den vereinbarten Preis sofort aushändige, das hätte mich in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht.«
Er legte den Arm um seine Frau und führte sie ins Warme zurück.
Nach der Abreise des Grafen Welf wollte keine heitere Stimmung mehr aufkommen.
Zu zweifelhaft lag das kommende Jahr vor Herzog Heinrich; er hatte allen Grund zu der Annahme, daß der Kaiser ihm übelwollte. Drei Vorladungen zu Reichstagen hatte der Löwe nicht beachtet. Er sah keine Veranlassung, sich vor seinen Feinden zu rechtfertigen, und wußte auch, daß er in Rede und Gegenrede den geschmeidigen Kirchenfürsten wie Philipp von Köln oder Wichmann von Magdeburg unterliegen mochte.
Ich erschrak zu Tode, als ich von Mathilde hörte, daß ihr Gemahl die kaiserliche Ladung dreimal mißachtet hatte.
»Oh, Mathilde! Warum hat er das gewagt?« flüsterte ich.
Mathilde
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