Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
dachte ich, daß mein Mann, mit dem ich nun seit einem Vierteljahrhundert das Lager teilte, noch immer sehr anziehend für mich war, und das ließ Sehnsucht und Zärtlichkeit in mir erwachen. Genau in diesem Moment sah Gottschalk mir ins Gesicht, und er muß meine Gedanken wohl gelesen haben, denn in seinen Augen begann es zu funkeln.
»Kommst du, Sophia?« fragte er mit schmelzender Stimme. Ich nickte, und er nahm meine Hand, half mir auf und führte mich zu dem kleinen Zelt, das meine fürsorglichen Söhne für mich aufgeschlagen hatten. Ich glaube, so zärtlich und hingebungsvoll wie in dieser Nacht haben wir uns nie zuvor geliebt, und ich denke noch heute mit großem Glück daran zurück.
Es war Juli, als wir in Braunschweig eintrafen. Wie gewohnt, holte der Haushofmeister mich in der Herberge ab.
»Leider ist unser Herr Heinrich sehr krank«, sagte er traurig zu mir. »Wie schön, daß Ihr kommt. Vielleicht gelingt es Euch, ihn ein wenig aufzuheitern.«
Heinrich krank? Er, der immer ein Bild männlicher Kraft gewesen war? Gottschalk brachte mich bis zur Burg Dankwarderode, ließ mich dort aber dann allein.
Es dauerte eine Weile, bis Heinrichs Diener mich in sein Gemach führte. Offenbar hatte der Herzog Wert darauf gelegt, mich nicht im Bett empfangen zu müssen. Er saß im Sessel neben dem Fenster, zu müde, mir entgegenzugehen. Aber er streckte die Hand aus, als ich auf ihn zueilte.
»Du bist mich besuchen gekommen, Sophia. Das freut mich sehr«, sagte er. Wie schwach war seine tiefe, klangvolle Stimme geworden! Und seine Gestalt hatte nichts Löwenhaftes mehr, war gleichsam eingeschrumpft. Das traf mich so tief, daß mir die Stimme versagte und ich nur seine Hand nahm, mit den Tränen kämpfend. Aber als ich in das Gesicht
meines lieben alten Freundes blickte, wurde ich ganz ruhig. Seine Augen sprachen nicht von Krankheit und Siechtum, nicht von nahendem Tod. Sie waren klar und fröhlich, und es war ein Frieden darin zu lesen, den ich zuvor nur dann bei dem Herzog beobachtet hatte, wenn er seine Frau ansah oder mit seinen Kindern spielte.
»Ich grüße dich, Heinrich«, sagte ich, und meine Stimme zitterte noch immer. »Was fehlt dir denn, lieber Freund?«
»Meine Ärzte wissen sich keinen Rat mehr. Und es ist mir auch gleich, welchen Namen sie für meinen elenden Zustand finden würden«, sagte Heinrich fröhlich. »Ich weiß, daß mein Leben sehr bald zu Ende gehen wird, und das ist nicht schlimm, denn dann kehre ich heim zu unserer Mathilde. Mal sehen, welchen Empfang sie mir bereitet.« Und wir lachten.
In den nächsten Tagen hielt ich mich fast ständig bei dem Herzog auf. Ich erzählte ihm, was ich von Gunther über die überstürzte Hochzeit seines Erben erfahren hatte, und Heinrich amüsierte sich sehr darüber.
Von ihm vernahm ich dann, daß er keineswegs in dankbarer Freude diese Nachricht aufgenommen hatte.
»Als der Pfalzgraf angeritten kam und mich von der Heirat in Kenntnis setzte, habe ich schlimmer gebrüllt und getobt als der Kaiser. Ich wollte nichts mit dieser Familie zu tun haben, die uns soviel genommen hatte, und mit meinem Namensvetter und Verwandten, dem Kaiser, schon einmal gar nicht«, erzählte mir der Löwe.
»Ich fürchte, Pfalzgraf Konrad mußte sehr viel Geduld und Überredungskunst aufbringen; schließlich hatte ich mich beruhigt und mich sogar bei Konrad für die klaren Worte entschuldigt, die ich über die Sippe der Hohenstaufen zu bemerken für nötig gehalten hatte.
Mein Sohn ist, glaube ich, nicht so jähzornig wie ich, hatte
ich mit einem schiefen Lächeln hinzugefügt. Und so war es folgerichtig, daß ich auch zustimmte, im Februar am Reichstag in Saalfeld teilzunehmen, um dort mit Kaiser Heinrich zusammenzutreffen.
Und nun, Sophia, kommen wir dazu, warum ich heute so elend vor dir sitze. Saalfeld ist gar nicht weit von Braunschweig weg, früher wäre dieser Ritt mir wie ein Spaziergang erschienen. Aber nun merkte ich jeden Tag, daß ein Alter von fünfundsechzig Jahren auf mir liegt, in denen ich unzählige Meilen geritten bin, endlose Nächte bei Wind und Wetter im Freien kampiert und zahllose Kämpfe bestritten habe. Es war eisig kalt, alle Wege mit hohem Schnee verweht. Und da ist es passiert. Mein Pferd glitt aus und fiel. Ich rutschte aus dem Sattel, stürzte zu Boden, und das Ross auf mich. Du kannst dir nicht vorstellen, was ein Pferd wiegt! Ich hatte das Gefühl, zermalmt zu werden. Meine Hüfte bekam einen harten Schlag, und mein
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