Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
zielstrebig zu ihren vier Söhnen, die mich mit freudigem Zuspruch aufnahmen. Sie sahen sich alle sehr ähnlich, vier jugendliche Abbilder ihres Vaters. Ich muß gestehen, daß es mir nicht gelang, sie zu unterscheiden. Darum vermied ich es auch, sie mit ihren Vornamen anzureden. Aber ich wußte jetzt, wie mein lieber Bruder Hildebrand ausgesehen hätte, wenn er gesund gewesen wäre.
Vom Rest des Abends weiß ich nicht mehr viel. Ich war sehr, sehr müde von der Reise und von dem vielen guten Essen und wohl auch vom Wein - bei uns zu Hause bekam ich immer nur einen winzigen Schluck davon in einem großen Humpen Wasser. Und dann gingen mir auch Hildebrands Erzählungen im Kopf herum. Die vier Brüder redeten zwar die ganze Zeit auf mich ein, aber ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Ich nickte und lächelte ab und zu, und das schien ihnen zu genügen. Peinlicherweise bin ich dann bei Tisch eingeschlafen und wurde nur kurz wach, als Constantin mich in die Kammer der Köchin trug.
»Nun schlaf mal schön, Sophia«, sagte er liebevoll. »Und das nächste Mal hältst du dich beim Wein etwas zurück, nicht wahr? Du bist nicht daran gewöhnt!«
Er legte mich auf den Strohsack, deckte mich zu und verschwand. Ich hatte das Gefühl, daß der Raum sich um mich drehte, aber im nächsten Augenblick war ich schon eingeschlafen.
Als ich am Morgen erwachte, fiel soviel Licht durch die Kalbshaut vor der Fensteröffnung, daß die Sonne schon hoch stehen mußte.
Ich erschrak. Was mußte das für einen Eindruck auf Frau Adelgunde machen, die ganz gewiß keine Langschläferin sein konnte! Ich schlüpfte schleunigst aus dem herrlichen
Bett. Das Waschwasser von gestern abend war inzwischen natürlich eiskalt, aber das machte mir nichts aus.
Adelgunde versuchte, mich zu einem üppigen Frühstück zu nötigen. Ich hatte das Gefühl, daß mein Magen sich gegen jede Nahrung wehren würde; aber nachdem ich erst zimperlich im Haferbrei gestochert hatte, bekam ich dann doch Appetit und langte ordentlich zu.
An diesem Tag wollten wir noch nicht weiterfahren. Die Pferde mußten sich ausruhen, und den Menschen tat ein Tag Rast auch gut. Außerdem wollte Constantin noch Geschäfte abwickeln. Eine Wagenladung Wein war für Dortmund bestimmt. Die Hälfte sollte im Hof des Erzbischofs bleiben, die andere Hälfte übernahm Hildebrand, der einer der größten Handelsherrn Dortmunds war.
Gerade, als ich mit dem Essen fertig war, kam Constantin herein, begleitet von einer Kältewolke.
»Nanu, schon auf, Sophia?«, rief er mir zu. Ich wurde rot, aber er tätschelte mir den Kopf. »Macht ja nichts, Mädchen«, sagte er. »Du hast dich bis hierher sehr tapfer gehalten, da darfst du auch einmal ausschlafen.«
Jetzt kam auch Hildebrand herein. »Dein Wein ist gut, Constantin«, meinte er. Und dann zu mir: »Weißt du auch, was ich dafür an euch verkaufe?«
Ich wußte es nicht. Mein Kopf funktionierte noch nicht ganz so, wie er sollte.
»Dann komm einmal mit«, meinte Hildebrand, und ich ging mit den beiden Männern in sein hinteres Warenlager. Das war aus Stein erbaut, denn dort befand sich seine kostbarste Ware, und die sollte im Falle eines Brandes geschützt sein. Die Tür zum Lager war mit mehreren Riegeln und einem riesigen Schloß versehen. Hildebrand öffnete mit einem Schlüssel, den er wie eine Hausfrau am Gürtel trug.
Ich erblickte viele Rollen Seide, Wolle und Leinen. Eine weitere Tür führte zu einem kleinen Nebenraum. Es war zu dunkel, um etwas zu erkennen, denn Hildebrand hatte keine Kerze mitgenommen. Aber dann öffnete er einen verriegelten Fensterladen, und im strahlenden Licht der Wintersonne sah ich die schönsten Pelze, die ich je gesehen hatte.
»Meine letzte Ladung aus Livland«, sagte Hildebrand stolz. »Du kannst sie haben - zu einem ordentlichen Preis zwar, aber in Minden wirst du sie bis zum letzten Stück bestens verkaufen können, schätze ich. Ich selbst bin zu alt für eine Reise um diese Jahreszeit, und meine Söhne sind noch nicht erfahren genug, um so kostbare Ware angemessen teuer zu verkaufen. Wie denkst du darüber?«
Sie handelten noch ein wenig über den Preis, und ich schmiegte mein Gesicht andächtig in ein Fell, das mich wie mit zarten Fingern zu streicheln schien.
»Man sieht, daß du eine Kaufmannstochter bist, Sophia«, bemerkte Hildebrand. »Mit sicherer Hand hast du das wertvollste Stück herausgegriffen. Das ist ein schwarzblauer Zobel, den könnte Herzog Heinrich seiner
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